Berufsbild und Tätigkeitsfeld der Pathologie haben sich durch die flächendeckende Einführung molekularer Methoden in der Diagnostik vor allem maligner Erkrankungen dramatisch verändert. Die seit über 100 Jahren etablierte Beobachtung von pathologischen Veränderungen in Geweben und Organen anhand von gefärbten Schnittpräparaten zur Beurteilung gutartiger oder bösartiger Veränderungen wird sowohl durch den Nachweis von gewebespezifischen Biomarkern mittels Immunhistochemie mit Antikörpern ergänzt als auch zunehmend durch molekularbiologische Analysen erweitert bzw. teilweise ersetzt. Das erweiterte Methodenspektrum der Diagnostik spiegelt sich auch in der Bezeichnung des Faches als „Klinische Pathologie und Molekularpathologie“ wider.
Grundvoraussetzung für die Anwendung der rasch fortschreitenden Entwicklung neuer Therapien ist der Nachweis der molekularen Veränderungen, auf die diese Therapien abzielen. Bei vielen Erkrankungen ist auch entscheidend, ob eine erbliche Tumorerkrankung erkannt wird, da hier engmaschige Vorsorgeuntersuchungen im Kontext der Familie durchgeführt werden müssen. Während noch vor wenigen Jahren einzelne Gene mittels Sequenzierung untersucht wurden, setzt sich zunehmend die Next-Generation-Sequencing(NGS)-Methode durch, die es erlaubt, eine Vielzahl an therapierelevanten Mutationen multipler Gene (derzeit weit über 500) routinemäßig zu untersuchen. Diese Untersuchungen werden zunehmend nicht nur am Tumorgewebe selbst, sondern aus Blutproben (sog. „liquid biopsy“) durchgeführt. Dieser Begriff wird für die Analyse von frei in Körperflüssigkeiten zirkulierenden Nukleinsäuren (cfDNA) verwendet. Eine „liquid biopsy“ kann eine genetische Analyse von Biopsiegewebe ergänzen und in Einzelfällen sogar ersetzen. Damit ist es möglich, zielgenau therapierelevante Veränderungen festzustellen, die erst die Grundlage der Präzisionsmedizin darstellen – somit kann gesagt werden: „Ohne Präzisionspathologie keine Präzisionsmedizin.“
Die ÖGPath/IAP vertritt die Interessen von derzeit 435 ordentlichen Mitgliedern, davon 94 ÄrztInnen in Ausbildung. Diese sichern in 29 Spitalspathologien, über 50 niedergelassenen Ordinationen bzw. Gruppenpraxen oder privaten Instituten die diagnostische Versorgung in allen Bereichen der Histo- und Molekularpathologie, der Zytologie und der Mikrobiologie in Österreich. Einzelne Institute verarbeiten dabei zwischen 20.000 und 100.000 Einsendungen zu histopathologischen, 3.000–150.000 Einsendungen zu zytologischen und 10.000–850.000 Einsendungen zu mikrobiologischen Untersuchungen pro Jahr. In über 90% werden dabei immunhistochemische Untersuchungen durchgeführt und zur raschen intraoperativen Diagnostik wird ein Schnellschnitt-(Gefrierschnitt-)Service angeboten. In knapp 70% wird molekulare Diagnostik angeboten, wobei diese meist in Pathologien in Spitälern oder größeren Instituten im niedergelassen Bereich zentriert ist.
Die immer differenziertere Diagnostik und die Erweiterung des diagnostischen Spektrums mit rasanten methodischen Entwicklungen bedeuten aber auch eine Reihe von Herausforderungen. Diese betreffen vor allem die Standardisierung der Prozesse unter den Rahmenbedingungen der In-vitro-Diagnostik-Verordnung (IVDR) in den pathologischen Laboratorien sowie der Untersuchungen selbst, deren Kosten und ihre Finanzierung, aber auch die Rekrutierung von ÄrztInnen für die Ausbildung und die Ausbildungsinhalte des Faches Klinische Pathologie und Molekularpathologie.
Während die Kosten für molekularpathologische Untersuchungen mit durchschnittlich 700 Euro (bis zu mehreren Tausend Euro) teils über dem Zehn- bis Hundertfachen der Kosten einer „basalen“, schnittbasierten histologischen Untersuchung liegen, machen sie im Vergleich zu den auf den Ergebnissen begründeten Therapien nur einen kleinen Anteil aus. Die Anerkennung dieser Kosten und das Bekenntnis, diese Untersuchungen allen von einer Tumorerkrankung betroffenen Personen zur Verfügung zu stellen, ist eine der wesentlichen Herausforderungen der kommenden Jahre für die Pathologie, da die in Österreich praktizierten Finanzierungsmodelle die Kosten nur unzulänglich berücksichtigen und damit teils zulasten der die Untersuchung durchführenden Labore bzw. PathologInnen gehen. Hier eine leistungsgerechte Abgeltungsstruktur zu finden, die die Finanzierung und damit die Verfügbarkeit für alle PatientInnen, die diese Untersuchungen benötigen, zu gewährleisten, ist eine der zentralen Aufgaben der Verantwortungsträger für die kommenden Jahre. Dies muss auf mehreren Ebenen – sowohl im niedergelassenen als auch im Spitalsbereich – strukturell organisiert werden und ist am besten in einem Stufenplan umzusetzen. Entsprechend hat die Österreichische Gesellschaft für Pathologie/IAP Austria im Jahr 2021 ein Positionspapier verfasst, in dem Kernleistungen der klinischen Pathologie und Molekularpathologie klar umrissen sind, ebenso die Ausbildung und die Standortversorgung mit klinisch-pathologischen Laboratorien in Spitälern und im niedergelassenen Bereich.
Laut Rahmengeschäftsordnung für Tumorboards des Planungsinstruments „Österreichischer Strukturplan Gesundheit“ (ÖSG) gehört die Pathologie neben den zuständigen klinischen Sonderfächern Innere Medizin, Hämato-Onkologie – bzw. Additivfach Hämatologie und internistische Onkologie –, Strahlentherapie, Radioonkologie und Radiologie obligat und gleichberechtigt zu den Kerndisziplinen eines interdisziplinären Tumorboards. In einem Tumorboard werden nicht nur Krebsdiagnosen, Tumortypisierung, Ausmaß von Tumorerkrankungen und biologische Prognose diskutiert, sondern auch die therapiebestimmenden Tumoreigenschaften besprochen. Die zugrunde liegenden Untersuchungen werden dort auch in zunehmendem Maße empfohlen, da es sich bei diesen Untersuchungen doch um wesentlich teurere Untersuchungen als in der klassischen Lichtmikroskopie-basierten Pathologie handelt.
Mit Inkrafttreten der IVDR sind nicht nur die Anforderungen an die Hersteller von Medizinprodukten wie Diagnostika gestiegen, sondern auch jene an die klinisch-pathologischen Laboratorien. Die standardisierte Anwendung internationaler Klassifikationsstandards der WHO, der UICC, der S3-Leitlinien u.a. entsprechend den rasanten Entwicklungen der diagnostischen Methoden umzusetzen, erfordert sowohl kosten- als auch personalintensive Maßnahmen der Akkreditierung.
Aus dem Spannungsfeld des steigenden Personalbedarfs bei gleichzeitigem Mangel an ÄrztInnen und anderen Berufsgruppen wie biomedizinischen AnalytikerInnen ergeben sich weitere Herausforderungen für die klinische Pathologie. So ist die Rekrutierung junger KollegInnen für die Ausbildung im Fach Klinische Pathologie und Molekularpathologie teils durch verminderte Präsenz als klinisches Fach in den Medizinstudien, aber auch dank veralteter Vorstellungen der PathologInnen als vorwiegend ObduzentInnen schwierig. So leidet das Fach Klinische Pathologie und Molekularpathologie unter einem Mangel an InteressentInnen, die eine Ausbildung machen möchten. Diesem Bild in der Öffentlichkeit und in Fachkreisen entgegenzuwirken, ist und wird vermehrt Aufgabe der Fachgesellschaft sein.
Es ist daher unsere Aufgabe, die spannenden Aspekte und Entwicklungen im Fach Pathologie, wie die Molekularpathologie, die digitale Pathologie und die Computational Pathologie, sowohl an Studierende der Medizin als auch im Austausch mit KollegInnen der breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Entsprechend setzt die Österreichische Gesellschaft für Pathologie und Molekularpathologie Akzente in der Förderung des Nachwuchses und der Öffentlichkeitsarbeit. Hier sind einerseits die Aktivitäten der „Future Academy“ der ÖGPath/IAP anzuführen, die spezifisch in Fortbildungsinitiativen die Herausforderungen an eine moderne Ausbildung im Fach, wie z.B. molekulare Diagnostik, thematisieren. Auch die sich zurzeit rasant entwickelnde digitale Pathologie mit der Möglichkeit von Telearbeit oder der Entwicklung von Algorithmen beispielsweise zur automatisierten Erkennung bestimmter pathologischer Veränderungen ist hier zu nennen. Diese als „Artificial Intelligence“ oder „Computational Pathology“ bezeichneten Methoden sind zwar noch von einem flächendeckenden Einsatz entfernt, lassen aber für die Zukunft eine Unterstützung der Arbeit der PathologInnen erwarten. Zur Sichtbarmachung des spannenden und sich konstant weiterentwickelnden Tätigkeitsfeldes der Pathologie im interdisziplinären Setting wurde seitens der ÖGPath die Pressearbeit verstärkt. So werden z.B. im Vorfeld der Herbst- und Frühjahrstagung wissenschaftliche Themen interdisziplinär von PathologInnen mit KlinikerInnen und PathologInnen abgehandelt und in Fachzeitschriften wie u.a. SPECTRUM Pathologie publiziert.
Renate Kain