Cancer Nurse und Digitalisierung – zwei Schlüssel für die Zukunft einer qualitätsorientierten Versorgung von Patient:innen mit einer Krebserkrankung

Die österreichische Bevölkerung wird bis 2040 um 5% wachsen. Der Anzahl der älteren Personen wird überproportional ansteigen (40–50%). Da ­Krebserkrankungen häufiger bei älteren Menschen auftreten, ist mit ebendiesem Anstieg der Inzidenz zu rechnen. Die modernen Therapien werden immer besser verträglich und verlängern bei gezieltem Einsatz auch das Überleben. Dies wird ein weiterer Faktor sein, dass immer mehr Menschen MIT einer Krebserkrankung leben (Prävalenz). Alle diese Patient:innen brauchen eine optimale Betreuung und professionelle Begleitung auf ihrem Pfad durch das Gesundheitssystem.
Gleichzeitig erleben wir eine unglaubliche Dynamik und Zunahme des medizinischen Wissens. So wurden im Zeitraum von 1995–2020 145 neue Arzneimittel im Bereich der Onkologie zugelassen, 2021 (20) und 2022 (13) wurden in Europa 33 neue Krebsmedikamente auf den Markt gebracht (EMA – Europäische Arzneimittel-Agentur). Gab es noch vor wenigen Jahren bereits in der zweiten Behandlungslinie keine validierten Therapien, stehen uns heute in den pu­blizierten Leitlinien vielfach komplexe Therapiealgorithmen zur Verfügung. Wir wissen, dass die Patient:innen bei einem vollständigen, zeitgerechten und korrekten Wissenstransfer von den Fortschritten profitieren.
Die Patient:innen und ihre Angehörigen haben über das Internet die Möglichkeit, sehr viel Information über ihre Krankheit zu bekommen, gleichzeitig sind sie mit der unselektionierten Fülle an Information aber auch überfordert. Viele Fragen, viele Ängste begleiten die Patient:innen, sie suchen den Kontakt mit den Expert:innen und fordern zu Recht ihre „Zeit“ ein.
Wie kann das medizinische Personal all diesen Forderungen nachkommen, die Komplexität des Wissens in die klinische Praxis transferieren, einen niederschwelligen Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung für alle Menschen sicherstellen?

In diesem Vorwort fokussieren wir zwei Lösungsansätze, die im Krebsreport 2023 neben vielen anderen Themen diskutiert werden:

Digitalisierung

Gesundheitsminister Johannes Rauch hat als oberstes Ziel der Gesundheitsreform den Slogan „Digital vor ambulant vor stationär“ vorgegeben. Auch die Fachexpert:innen der Krebsmedizin sehen in der Initiierung dieser Entwicklung eine große Chance. Durch den Ausbau von digitalen Netzwerkstrukturen können die komplexen Entscheidungsprozesse in Krebszen­tren angeboten werden, die Versorgung der Patient:innen kann wohnortnah und dezentral erfolgen. Dabei können telemedizinische Systeme die niederschwellige Kommunikation erleichtern.

Ausbau von interprofessionellen Teamstrukturen

Im Krebsreport 2023 wird die Rolle der Cancer Nurse als Chance für das Gesundheitssystem aufgezeigt, um eine qualitätsorientierte Versorgung von Krebspatient:innen in der Zukunft sicherzustellen. In dem publizierten Positionspapier wird die strukturelle Implementierung dieses Berufsbildes gefordert und ein einheitliches Ausbildungscurriculum empfohlen. Dieses Rollenbild ist in vielen europäischen Ländern bereits als fixer Bestandteil im interprofessionellen Netz der Versorgung von Krebspatient:innen etabliert – Österreich ist hier trauriges Schlusslicht. In Ergänzung dazu hat die psychoonkologische Betreuung bereits hohe Anerkennung erfahren. Im Krebsreport 2023 wird die Wirksamkeit der psychoonkologischen Intervention dargestellt. Auch 2023 hat das Redaktionsteam wieder einen Fokus auf die Hospiz- und Palliativversorgung gelegt. In der vorliegenden Ausgabe wird auch das Sterbeverfügungsgesetz abgebildet und gleichzeitig die große Unsicherheit in dessen praktischer Umsetzung reflektiert.

Die Versorgung von Krebspatient:innen wird von einem komplexen Netzwerk getragen, in dem viele unterschiedliche Berufsgruppen ihre Rolle haben. Für die Patient:innen und deren Angehörige muss diese Begleitung niederschwellig und individualisiert gelingen. Es muss das gemeinsame Ziel sein, dass die gewonnene Lebenszeit auch mit Lebensqualität verbunden ist.

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe
Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie

Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll
Präsident der Österreichischen 
Gesellschaft für Hämatologie & 
Medizinische Onkologie

Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda
Präsident der Österreichischen Krebshilfe