Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung haben das Ziel, Krebs in einem frühen Stadium zu entdecken, um so rechtzeitig Therapiemaßnahmen setzen zu können. Die Behandlung von Vorstufen bzw. eines Frühstadiums einer Krebserkrankung steigert die Heilungschancen erheblich und ist auch für PatientInnen weniger belastend als eine Behandlung eines spät entdeckten Tumors in einem dann womöglich fortgeschrittenen Stadium. Die Österreichische Krebshilfe gibt in enger Zusammenarbeit mit den jeweils zuständigen Fachgesellschaften Krebs-Früherkennungsempfehlungen für die Bevölkerung heraus und kommuniziert diese in allen Bereichen.
Organisierte Früherkennungsprogramme auf Krebserkrankungen (wie das Brustkrebs-Früherkennungsprogramm) basieren auf wissenschaftlicher Evidenz und stellen somit sicher, dass diese für die Bevölkerung den größtmöglichen Nutzen bringen. Wichtige Bestandteile sind qualitätssichernde Maßnahmen und ein strukturiertes Einladungsmanagement. Anfang 2021 wurde das „Nationale Screening-Komitee auf Krebserkrankungen“ gegründet, ein Gremium nach § 8 Abs. 1 des Bundesministeriengesetzes 1986. Dieses multidisziplinär zusammengesetzte Beratungsgremium verfügt über spezifische Kompetenz im Bereich Screening und arbeitet ehrenamtlich.
Während der COVID-19-Pandemie wurden Krebsfrüherkennungsuntersuchungen deutlich weniger in Anspruch genommen. Unter anderem war die Angst vor einer Ansteckung mit COVID-19 bei vielen Menschen in dieser neuen und herausfordernden Situation groß. Die Situation entspannte sich teilweise, als Schutzmaßnahmen und -ausstattung in Instituten und Ordinationen in ausreichender Menge vorhanden waren und kommuniziert werden konnte, dass bei Untersuchungen kein erhöhtes Ansteckungsrisiko mit COVID-19 besteht. Trotzdem bleibt in vielen Bereichen ein nicht mehr einholbares Defizit, das zu einem Rückgang an diagnostizierten Krebserkrankungen führte, wodurch auch Behandlungen nicht oder erst später begonnen werden konnten.
Mit 5.565 Neuerkrankungen im Jahr 2018 und einem Anteil von etwa 29 % an allen Tumoren war Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen (Statistik Austria). 2018 waren auch 63 Männer mit dieser Diagnose konfrontiert. Laut Programmleitung des BKFP (Brustkrebs-Früherkennungsprogramm) ist die Inanspruchnahme der Brustkrebs-Früherkennungsuntersuchungen (Mammografie und Sonografie) im 1. Lockdown (2020) um rd. 56 % im März und 86 % im April eingebrochen. Aus Sicht des BKFP hat sich die Situation jedoch sehr rasch wieder stabilisiert. Bereits in den Sommermonaten wurden verhältnismäßig viele Früherkennungsuntersuchungen durchgeführt, und auch der neuerliche Lockdown im Herbst 2020 hatte keine negativen Auswirkungen mehr auf die TeilnehmerInnenzahlen. Zwar konnte insgesamt das Vorjahresniveau (2019) nicht mehr erreicht werden, weil die Effekte des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 zu groß waren. Im Vergleich zum Jahr 2019 ist daher bei den Brustkrebs-Früherkennungsuntersuchungen 2020 ein Rückgang von rd. 41.000 Teilnehmerinnen zu verzeichnen, was einem Anteil von 12,75 % entspricht.
Darmkrebs umfasst bösartige Neubildungen des Dickdarms (Colon und Rectum) und war 2018 (Statistik Austria) die dritthäufigste Krebserkrankung mit 11 % der Männer (2.569 Fälle in 2018) und 10 % der Frauen (1.994 Fälle). Da Qualitätssicherung bei Vorsorgeuntersuchungen eine sehr wichtige Rolle spielt, hat sich die ÖGGH (Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie) 2007 entschlossen, in Zusammenarbeit mit dem Hauptverband und der Österreichischen Krebshilfe, ein „Qualitätszertifikat Darmkrebsvorsorge“ zu schaffen, ein organisiertes Screening (wie das BKFP) wurde bis dato nicht realisiert. Seit 2007 wird ein Großteil der Vorsorgekoloskopien im Qualitätssicherungsprogramm durchgeführt. Insgesamt wurden im Rahmen des Qualitätszertifikats von November 2007 bis Ende Mai 2021 401.915 Vorsorgekoloskopien durchgeführt und 2.943 Darmkrebsfälle sowie 95.335 Vorstufen von Darmkrebs (davon 27.328 fortgeschrittene Vorstufen) entdeckt. 2019 wurden 43.644 Vorsorgekoloskopien im Rahmen des „Qualitätszertifikats Darmkrebsvorsorge“ durchgeführt (= 66 % der qualitätsgesicherten Koloskopien). 2020 kam es aufgrund der COVID-19-Pandemie zu einer drastischen Reduktion der Vorsorge-Koloskopien um 14,82 %. Ein detaillierter Vergleich der Jahre 2019 und 2020 wird in Abbildung 2 veranschaulicht.
2018 erkrankten lt. Statistik Austria 2.925 Männer und 2.060 Frauen an einem bösartigen Lungentumor. Lungenkrebs war damit die jeweils zweithäufigste Krebserkrankung bei Männern und Frauen (insgesamt 12 % aller Krebsneuerkrankungen), der auch heute noch in mehr als 75 % in einem späten, nicht mehr kurablen Stadium diagnostiziert wird. Lungenkrebs ist somit die häufigste Krebstodesursache und verursacht mehr Todesfälle als Dickdarm-, Brust- und Prostatakrebs zusammen. Demnach kommt der Früherkennung dieser Tumorentität große Bedeutung zu. Durch rezente Studien konnte der Beweis erbracht werden, dass durch Screening mittels „low dose CT“ (einer Technik mit geringer Strahlendosis) die Diagnose „Lungenkrebs“ in einem frühen, kurablen Stadium möglich ist und damit auch die Mortalität gesenkt werden kann. Der europäische „CT Lung Cancer Screening Trial“1) (NELSON-Studie) zeigte bei HochrisikopatientInnen (> 55 Jahre, RaucherIn/ > 30 pack years) eine signifikante Reduktion der Lungenkrebsmortalität von 24 % nach zehnjähriger Beobachtungszeit mittels „low dose CT“ gegenüber einer Kontrollgruppe ohne Screening. Damit übertrifft die NELSON-Studie die Ergebnisse des amerikanischen „National Lung Cancer Screening Trial“2) (NLST-Studie), die eine 20 %ige Mortalitätsreduktion durch „low dose CT“ gegenüber dem Thoraxröntgen zeigte (Ergebnisse beider Studien, vgl. Abbildung 3). Noch bedeutender ist, dass die NELSON-Studie durch bessere Selektion der ProbandInnen (exaktere Definition der Risikopopulation) und zeitgemäße radiologische Methodik (Volumetrie der Rundherde) die Machbarkeit und Effizienz eines Lungenkrebs-Screenings klar darlegte. Insbesondere konnten eine hohe Adhärenz für das Screening, eine niedrige Rate an notwendigen Follow-up-Untersuchungen und eine geringe Rate an „falsch positiven“ Resultaten erzielt werden – womit effiziente Wege für die erfolgreiche Etablierung eines nationalen Lungenkrebs-Screenings aufgezeigt wurden. Daher haben sich nationale und europäische wissenschaftliche Fachgesellschaften (in erster Linie Pneumologie und Radiologie) als auch das Europäische Parlament sowie Patientenorganisationen einheitlich für die Einführung eines Lungenkrebs-Screenings in Europa ausgesprochen. Es ist daher zu erwarten, dass nationale Screening-Programme in den kommenden Jahren in ganz Europa beginnen werden.
Abb. 3: Reduktion der Lungenkrebsmortalität durch „low dose CT“-Screeningprogramme – dargestellt am Beispiel der amerikanischen NLSTStudie1 sowie der europäischen NELSON-Studie2
1) Reduced Lung-Cancer Mortality with Low-Dose Computed Tomographic Screening, The National Lung Screening Trial Research Team, N Engl J Med 2011; 365:395-409 - 2) Reduced Lung-Cancer Mortality with Volume CT Screening in a Randomized Trial, Harry J. de Koning et al., N Engl J Med 2020; 382:503-513
Hautkrebs ist der einzige Krebs, der schon in frühen Phasen und mit dem freien Auge sichtbar und bei Kenntnis der klinischen Kriterien bzw. Erscheinungsform diagnostizierbar ist. Durch entsprechende Vorsorge (z.B. Sonnenschutz) wäre er in vielen Fällen vermeidbar. Es kann davon ausgegangen werden, dass Hautkrebs (inkl. aller Vorstufen) die häufigste Krebsart in Österreich ist. 2018 wurde jedoch nur bei 1.471 Menschen ein malignes Melanom an Statistik Austria gemeldet (17 von 100.000 Personen der Bevölkerung). Dies liegt daran, dass die wenigsten Hautkrebsfälle statistisch erfasst werden können, da sie größtenteils in den Ordinationen diagnostiziert und auch behandelt werden und für Ordinationen, im Gegensatz zu Spitälern, bislang noch keine Meldepflicht in das nationale Krebsregister besteht.
Von bösartigen Neuerkrankungen des Gebärmutterhalses (Zervixkarzinom) waren 2018 lt. Statistik Austria insgesamt 440 Frauen betroffen. Die Einführung der HPV-Impfung und des HPV-Tests stellt in der Krebsvorsorge und -früherkennung von Gebärmutterhalskrebs einen Meilenstein dar. Durch die HPV-Impfung kann das Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, um mehr als 90 % reduziert werden. Zusätzlich wird durch die HPV-Impfung Krebs von Scheide und Vulva weitgehend verhindert. Da die Impfung nicht zu 100 % vor einer Besiedelung mit HPV schützt, empfehlen die wissenschaftlichen Fachgesellschaften, weiterhin Früherkennungsuntersuchungen wahrzunehmen (vlg. Seite 26).
Die Früherkennung der häufigsten Krebserkrankung beim Mann, dem Prostatakrebs, umfasst die digitale rektale Untersuchung (Tastuntersuchung), die PSA-Bestimmung und eine Ultraschalluntersuchung. Der PSA-Test wird im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung ab 50 nicht automatisch, sondern nur auf Wunsch vorgenommen. Außerhalb der Vorsorgeuntersuchung erfolgt die Übernahme des PSA-Tests aufgrund österreichweit einheitlicher Indikationen, die 2017 beschlossen wurden und derzeit von den einzelnen Krankenversicherungsträgern umgesetzt werden. Leider nehmen Männer das Angebot der kostenlosen Früherkennungsuntersuchung noch viel zu zögerlich wahr. Die jährlich steigenden Erkrankungszahlen (2010: 4.798, 2015: 5.019, 2018: 6.018; Quelle: Statistik Austria) lassen aber auf eine gesteigerte Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchung schließen.
Paul Sevelda, Otto Burghuber, Monika Ferlitsch, Doris Kiefhaber, Erika Richtig, Romana Ruda
Empfehlungen der Österreichischen Krebshilfe
Mammografie & ergänzender Ultraschall gem. BKFP
Mammografie ab dem 40. Lebensjahr in zweijährigem Abstand. Sollte bei der Mammografie etwas Auffälliges entdeckt werden oder das Brustgewebe sehr dicht sein, kann zusätzlich eine Ultraschalluntersuchung (= Sonografie) gemacht werden. Die Notwendigkeit wird durch den Radiologen individuell entschieden.
Darmspiegelung
ab dem 50. Lebensjahr alle zehn Jahre bei Stellen, die ein Qualitätszertifikat Darmkrebsvorsorge haben. Eine Auflistung dieser Stellen finden Sie unter www.krebshilfe.net und www.oeggh.at.
Test auf verborgenes Blut im Stuhl (Okkult-Test)
ab dem 40. Lebensjahr jährlich
Krebsabstrich & HPV-Test
ab dem 20. Lebensjahr einmal jährlich Krebsabstrich. Frauen ab dem 30. Lebensjahr wird zumindest alle drei Jahre ein HPV-Test empfohlen. Dies gilt für HPV-geimpfte und nicht HPV-geimpfte Frauen. Dabei soll eine Doppel-Testung (HPV-Test und gleichzeitiger PAP-Abstrich) vermieden werden.
Impfung gegen HPV
Mädchen/Frauen ab dem 9. Geburtstag
Hautselbstuntersuchung
zweimal jährlich. Jede Veränderung soll umgehend dem Hautarzt/der Hautärztin gezeigt werden!
Prostata-Vorsorgeuntersuchung
regelmäßig ab dem 45. Lebensjahr
Darmspiegelung
ab dem 50. Lebensjahr alle zehn Jahre bei Stellen, die ein Qualitätszertifikat Darmkrebsvorsorge haben. Eine Auflistung dieser Stellen finden Sie unter www.krebshilfe.net und www.oeggh.at.
Test auf verborgenes Blut im Stuhl (Okkulttest)
ab dem 40. Lebensjahr jährlich
HPV-Impfung
Buben/Männer ab dem 9. Geburtstag
Hautselbstuntersuchung
zweimal jährlich. Jede Veränderung soll umgehend dem Hautarzt/der Hautärztin gezeigt werden!