Was wurde umgesetzt?

10 Jahre Krebsrahmenprogramm Österreich

Der Onkologiebeirat wurde 2009 zur Beratung in Angelegenheiten der Krebsversorgung in Österreich als Kommission gemäß § 8 Bundesministeriengesetz gegründet. Hauptaufgabe des ehrenamtlich tätigen, multiprofessionell und interdisziplinär zusammengesetzten Expertengremiums ist es, konsensuale Empfehlungen insbesondere zur Krebsprävention, zur Versorgungsplanung für Krebspatient:innen sowie zur strategischen Weiterentwicklung evidenzbasierter Patientenversorgung zu erarbeiten.

Um gemäß internationalen Standards sämtliche Aspekte – beginnend mit der Prävention von Krebserkrankungen bis hin zur Hospizversorgung von Krebskranken – weiter zu verbessern, wurde 2014 das erste „Krebsrahmenprogramm Österreich“ veröffentlicht. Es versteht sich als strategisches Expertenpapier mit Empfehlungscharakter und soll der Gesundheitspolitik einen Überblick über die wichtigsten Handlungsfelder in der Onkologie liefern.
Das Krebsrahmenprogramm thematisiert in seinen strategischen Zielen wesentliche Bereiche der Onkologie, nämlich Prävention, Diagnose mit Behandlung inkl. Forschung, Psychoonkologie, Palliativ- und Hospizversorgung, onkologische Rehabilitation und Epidemiologie mit Krebsstatistik. Außerdem wurde auf spezifische Aspekte für Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen eingegangen.

Strategische Ziele des Krebs­rahmenprogramms Österreich

  1. Verringerte Inzidenz bei Krebserkrankungen in der Bevölkerung durch Prävention/Gesundheitsförderung
  2. Verringerte Mortalität bei Krebserkrankungen und längeres Überleben der Patientinnen und Patienten durch evidenzbasierte und zeitgerechte Früherkennung, Diagnostik und Behandlung
  3. Verbesserung der bzw. Erhalt von hoher Lebensqualität der an Krebs Erkrankten in allen Phasen der Erkrankung sowie auch für Angehörige und Bezugspersonen
  4. Gleicher Zugang zu allen Versorgungsstrukturen sowie zu Innovation und Fortschritt für die Bevölkerung – unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft und sozioökonomischem Hintergrund
  5. Hochwertige Daten und verbesserte evidenzbasierte Information zur Entscheidungsfindung von Gesunden, Patientinnen und Patienten, Leistungserbringern und politischen Entscheidungsträgern
  6. Förderung der Krebsforschung in allen Bereichen

In einem partizipativen Prozess wurden operative Ziele gesetzt, deren Maßnahmen nach erfolgter Priorisierung durch den Onkologiebeirat sowie unter Einbeziehung der relevanten Stakeholder:innen schrittweise umgesetzt werden. Die Umsetzung liegt nicht allein in der Verantwortung des Gesundheitswesens, sondern schließt auch andere Politikbereiche mit ein, nachdem Krebserkrankungen multifaktoriell beeinflusst werden und fachübergreifend zahlreiche Disziplinen involviert sind. Aus diesem Grund sind unterschiedliche Ansätze im Sinne von „Health in all Policies“ zu wählen, um eine gesundheitsfördernde Politikgestaltung in allen betroffenen Bereichen sicherzustellen.

Wesentliche Erfolge

Die Fortschritte in der Umsetzung der Maßnahmen sind auf die Arbeit verschiedener Akteure zurückzuführen.
Beim Thema Prävention ist das 2019 eingeführte absolute Rauchverbot in der Gastronomie mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Nach Empfehlung des Rates der Europäischen Union wurde das Brustkrebs-Früherkennungsprogramm 2014 eingeführt. Das 2021 gegründete Nationale Screening-Komitee auf Krebserkrankungen (NSK) bewertet die wissenschaftliche Evidenz für die Effektivität und den Nutzen von Krebs-Screeningprogrammen und gibt darauf basierend Empfehlungen zur Einführung organisierter populationsbezogener Screeningprogramme. So wurde im April 2022 die Empfehlung für ein qualitätsgesichertes Dickdarmkrebs-Screeningprogramm ausgesprochen. Seit 2024 beschäftigt sich das Komitee mit Screening auf Gebärmutterhalskrebs. Außerdem wurde auf Empfehlung des Nationalen Impfgremiums das kostenlose Impfprogramm gegen HPV-assoziierte Krebserkrankungen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis zum 30. Geburtstag erweitert.
Zur Stärkung der Gesundheitskompetenz wurde das Factsheet „Wie informiere ich Patientinnen und Patienten über Krebs?“ veröffentlicht, in dem am Beispiel von vier häufigen Tumorarten (Brust-, Prostata-, Darm- und Lungenkrebs) individuell unterschiedliche Informationsbedürfnisse von Krebspatient:innen dargestellt werden. Über die Art des Tumors hinaus unterscheidet sich der Informationsbedarf Krebs-Betroffener (d.h. von Patient:innen und Angehörigen) auch je nach Behandlungsphase, Alter, sozioökonomischem und kulturellem Hintergrund, weshalb entsprechend zielgerichtete und angepasste Informationen betont werden.
Als großer Erfolg des Krebsrahmenprogramms kann die Entwicklung des Standard-Curriculums Kommunikationstraining für Gesundheitsberufe in der Onkologie gewertet werden. Es wurde seit 2022 in insgesamt zehn Kommunikationstrainings pilotiert und evaluiert. Die Teilnehmer:innen bewerteten die Lernerfolge durchwegs positiv und schätzten ihre Kompetenzen für herausfordernde Gesprächssituationen wie das Überbringen schlechter Nachrichten, den Umgang mit Emotionen und das Führen von effektiven Gesprächen unter Zeitdruck nach dem Training signifikant höher ein als davor. Insgesamt wurden mittlerweile 13 Kommunikationstrainings, zum Teil gefördert aus Mitteln des Krebsrahmenprogramms, der ÖPGK (Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz) und der Agenda Gesundheitsförderung des Gesundheitsministeriums, durchgeführt.
Im Bereich Diagnostik und Behandlung ist die Erstellung und Veröffentlichung einer Muster-Geschäftsordnung für Tumorboards im Jahr 2015 hervorzuheben, die als Leitfaden für die Organisation und Durchführung interdisziplinärer Tumorboards intendiert ist. Ein Ziel der Geschäftsordnung ist, eine einheitliche Struktur und hohe Behandlungsqualität für Krebspatient:innen in Österreich zu gewährleisten. Um den gleichberechtigten Zugang aller Krebspatient:innen zu evidenzbasierter Innovation zu überprüfen, wurde 2019 die Inanspruchnahme innovativer onkologischer Pharmakotherapie analysiert. Für diese Medikamente werden nach ihrer Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency) rasch via LKF die Kosten übernommen: Die Analyse zeigt eine stark gestiegene Inanspruchnahme (mit einer Verdreifachung von 2007 auf 2018).

2017 wurde eine nationale Auskunftsstelle zu klinischen Krebsstudien bei gesundheit.gv.at eingerichtet. Diese betreibt seit 2018 eine Onlineplattform mit Informationen u.a. zu Datenbanken und Forschungsnetzwerken. Pro Jahr können durchschnittlich mehr als 8.000 Seitenansichten verzeichnet werden.
Zum Thema Psychoonkologie wurden erstmalig zwei Erhebungen (2018, 2019) zur psychoonkologischen Versorgung von Erwachsenen und von Kindern/Jugendlichen durchgeführt. Es zeigte sich, dass Psychoonkologie in Österreich strukturell gut verankert ist, aber noch einige Problemfelder bestehen, speziell im ambulanten Bereich und bei Personen mit Sprachbarrieren.
Die aktuelle Krebsstatistikverordnung trat 2019 in Kraft und regelt den elektronischen Meldeweg zur Übermittlung der Krebsdaten aus dem stationären Bereich. Dadurch soll eine hohe Qualität der nationalen Krebsstatistik gewährleistet werden. In einem nächsten Schritt soll auch der niedergelassene Bereich erfasst werden.

Im Laufe des Jahres 2023 fanden ausführliche Recherchearbeiten zum österreichischen und zu internationalen Krebsregistern statt. In einer Arbeitsgruppe wurden Weiterentwicklungsmöglichkeiten der onkologischen Dokumentation in Österreich diskutiert. Neben dem nationalen epidemiologischen Krebsregister existieren bereits gut etablierte (klinische) Krebsregister, teils auf Bundesländer begrenzt, teils bundesländerübergreifend oder auf verschiedene Krebsentitäten bezogen. Die Erhebungsaufwände unterscheiden sich nach Einsatzzweck. Ein Nutzen für die Versorgung und Forschung ist klar feststellbar.
Der Onkologiebeirat befasst sich seit Jahren mit der Implementierung des Survivorship Passports (SUPA) unter Einbeziehung von ELGA. SUPA wurde für Kinder und Jugendliche konzipiert, die Krebs überstanden haben, um ihre langfristige Gesundheitsversorgung zu verbessern und die Koordination zwischen verschiedenen Gesundheitseinrichtungen zu erleichtern. Die europaweite Implementierung des Survivorship Passports wird im EU-geförderten Projekt PanCareSurPass vo­rangetrieben. Der Survivorship Passport wird in sechs Ländern, darunter auch in Österreich (St. Anna Kinderspital), zum Einsatz kommen.

Was bleibt offen?

Einige immer noch aktuelle Maßnahmen aus dem Krebsrahmenprogramm wurden noch nicht umgesetzt. In Zeiten des Personalmangels wäre das Monitoring der Anzahl und Verteilung der in der Onkologie tätigen Personen je Berufsgruppe und Fachrichtung wichtig und eine einheitliche standardisierte Verlaufsdokumentation für immer komplexere Datenwelten entscheidend, ebenso wie die Analyse von sozialen Determinanten und deren Einfluss auf onkologische Erkrankungen zur Beseitigung von Ungleichheiten. Auch die Finanzierung und Verbesserung unabhängiger Krebsforschung, der Ausbau psychoonkologischer Versorgung und die Optimierung der Lebensqualität von Krebspatient:innen und Überlebenden in jedem Alter sind noch nicht abgeschlossen.

Diese Herausforderungen bedürfen einer Anpassung des Krebsrahmenprogramms an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und an die sich ändernden Bedürfnisse der Gesellschaft. Damit das Krebsrahmenprogramm auch weiterhin einen Beitrag zur Verbesserung der Prävention, Früherkennung und Versorgung leisten kann, wird derzeit an einer Aktualisierung gearbeitet, die 2025 abgeschlossen werden soll.

Florian Trauner,
Karin Eglau, 
Wolfgang Seebacher,
Lovro Markovic,
Christina Dietscher