COVID-19 und Krebs

Seit Anfang 2020 hält das Coronavirus SARS-CoV-2 Menschen weltweit in Atem. SARS-CoV-2 ist ein neu identifiziertes Coronavirus, das Ende 2019 als Auslöser der Infektionskrankheit COVID-19 entdeckt wurde.

Im März 2020 wurde der COVID-19-Ausbruch von der Weltgesundheitsorganisation als Pandemie eingestuft. Eine rasche Ausbreitung erfolgte auch deshalb, da im Zeitraum vor dem Auftreten von Symptomen eine hohe Infektiosität besteht und sich ein relevanter Anteil von Personen innerhalb von 1–2 Tagen bei bereits infektiösen, aber noch nicht symptomatischen Personen ansteckt. Weltweit und auch in Österreich wurden Maßnahmen zur Vorbeugung einer SARS-CoV-2-Infektion und zunehmend Schutzimpfungen zur Verhinderung einer Verbreitung des Virus organisiert.

Das Risiko, durch respiratorische Erreger eine Lungenentzündung zu erleiden, ist für Menschen mit aktiver Krebserkrankung aufgrund eines geschwächten Immunsystems durch den Krebs selbst und die medikamentöse Tumortherapie generell höher. Krebs, insbesondere eine aktive Krebserkrankung, ist ein potenzieller Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf und frühe Studien weisen auf eine höhere Sterblichkeit bei PatientInnen mit Krebserkrankungen hin. Der Einfluss von Krebs auf COVID-19 und vice versa ist jedoch aktuell schwierig zu interpretieren, da beide Erkrankungen ähnliche Risikofaktoren haben (vgl. Kasten).

SARS-CoV-2 wird vor allem durch Tröpfcheninfektion übertragen. In der Zwischenzeit gibt es verschiedene Varianten des Virus, die sich in ihren Erregereigenschaften wie beispielsweise der Übertragbarkeit oder Virulenz unterscheiden. SARS-CoV-2 gehört zu den respiratorischen Erregern, die Atemwegsinfektionen (auch mit potenziell schwerem Verlauf) auslösen können. Häufige Symptome von COVID-19 sind Fieber und trockener Husten, es können aber auch atypische Symptome wie Störungen des Geschmackssinns oder Muskelschmerzen auftreten. Viele Betroffene sind nun sehr verunsichert: Wie wirkt sich das Virus auf die Krebserkrankung bzw. Krebstherapie aus? Was muss ich jetzt mit oder nach meiner Krebserkrankung im Alltag beachten? Und darf oder soll ich mich mit Krebs gegen COVID-19 impfen lassen? Onkologisches Fachpersonal ­berät und betreut PatientInnen in allen Belangen zu COVID-19 und Krebs. Darüber hinaus haben die Fachgesellschaften für Hämatologie und medizinische Onkologie in Österreich, Deutschland und der Schweiz Empfehlungen für die COVID-19-Impfung speziell von Tumorpatient­Innen erarbeitet.

Empfehlungen zum Management von KrebspatientInnen

Menschen mit malignen hämatologischen Erkrankungen oder fortgeschrittenen soliden Tumoren, deren Erkrankung nicht in Remission ist, sowie PatientInnen unter medikamentöser Tumortherapie wird geraten, die empfohlenen Schutzmaßnahmen wie Abstand halten, das Tragen einer FFP2-Maske und regelmäßiges Händewaschen einzuhalten. In einer Studie der MedUni Wien konnte gezeigt werden, dass bei strenger Beachtung der etablierten Sicherheitsmaßnahmen die Infektionsrate unter KrebspatientInnen nicht höher ist als in der Normalbevölkerung. Zu diesen Sicherheitsmaßnahmen zählt vor allem die regelmäßige Testung, vor allem vor der Verabreichung der Therapie und dem Kontakt mit anderen PatientInnen auf der Station (Berghoff et al. 2020; Berger et al. 2021). Gleichzeitig darf die Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus nicht die Abklärung, Diagnostik und Therapie einer potenziell lebensbedrohenden Erkrankung wie Krebs beeinträchtigen. Die COVID-19-Schutzimpfung wird Menschen mit Krebs und ihren Angehörigen grundsätzlich empfohlen. Die Entscheidung über die Impfung und über den Zeitpunkt der Impfung soll von PatientIn und behandelndem Arzt/behandelnder Ärztin unter Berücksichtigung der individuellen Risiko- und Erkrankungssituation gemeinsam getroffen werden.

Krebssterblichkeit im Rahmen einer COVID-19-Infektion

In ein österreichweites Register zur Erfassung der COVID-19-assoziierten Mortalität bei KrebspatientInnen wurden 230 PatientInnen eingeschlossen. Mit einer Mortalität von 16,5 % nach einem 30-Tage-Follow-up liegt die Sterblichkeit über jener der österreichischen Normalbevölkerung. Diese Daten werden unterstützt von einer weiteren österreichischen Studie, die die Erfahrung von drei hämato-onkologischen Zentren zusammenfasst (Zams, Wien, Linz).

89 KrebspatientInnen mit einer aktiven Tumorerkrankung wurden mit 156 PatientInnen verglichen, die keine Tumorerkrankung hatten. Beide Gruppen waren aufgrund einer schweren COVID-19-Erkrankung stationär. In dieser Situation lag die Sterblichkeit bei den KrebspatientInnen bei 49 %, bei den Nicht-KrebspatientInnen bei 28 % (Publikation in Vorbereitung). Auch internationale Studien zeigten ein höheres Risiko: Bei COVID-19-positiven PatientInnen mit einem Lungenkrebs verstarben 32 % (J Baena Espinar et al., Ann Oncol 2020). Das erhöhte Risiko von PatientInnen mit einer hämatologischen Erkrankung wurde ebenso berichtet (2,04-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko; F. Passamonti et al., Lancet Haematol 2020).

Etablierte Risikofaktoren für einen schwereren Verlauf der COVID-19-Erkrankung waren Alter, schlechter Allgemeinzustand sowie einige Blutparameter (Neutrophilen-Anzahl, Lymphozyten-Anzahl, Albumin) (Berger et al., zur Publikation eingereicht). Zusammenfassend hat daher die Prävention einer SARS-CoV-2-Infektion bei KrebspatientInnen einen enormen Stellenwert.

Wirksamkeit der Impfung bei KrebspatientInnen

Die Entwicklung von SARS-CoV-2-Antikörpern ist bei KrebspatientInnen im Vergleich zu gesundem Gesundheitspersonal reduziert. Bei PatientInnen mit soliden Tumoren und aktiver Tumortherapie war die Rate der Serokonversion auf eine Impfung mit BNT162b2 zwischen 90 und 94 %: Bei hämatologischen PatientInnen war diese Rate niedriger (60–73 %). PatientInnen unter Rituximab-Therapie bzw. Anti-CD20-Therapie zeigten im Vergleich zu anderen KrebspatientInnen eine deutlich niedrigere Serokonversion. Nach zwei und drei Teilimpfungen konnten jedoch deutlich mehr SARS-CoV-2-Antikörper gemessen werden (Mair & Berger et al., submitted; Mair & Berger et al., JAMA Oncol 2021; Mairhofer et al., Cancer Cell 2021; Massarweh et al., JAMA Oncol 2021; Monin et al., Lancet Oncol 2021).

Bisher sind vier Impfstoffe in der EU zugelassen. Die Schutzimpfung sollte, wenn zeitlich möglich, vor Beginn einer medikamentösen Tumortherapie erfolgen. Während einer laufenden zyklischen medikamentösen Tumortherapie soll versucht werden, einen zeitlichen Abstand zur Tumortherapie zu erreichen, damit sich potenzielle Nebenwirkungen nicht überlappen. Studiendaten zum optimalen Zeitpunkt der COVID-19-Impfung während einer medikamentösen Tumortherapie liegen aktuell noch nicht vor. Ein Aussetzen oder Verschieben der medikamentösen Tumortherapie wird routinemäßig nicht empfohlen. Die COVID-19-Pandemie hat in Österreich im Jahr 2020 einen signifikanten Einfluss auf die Krebsvorsorge. Zum Beispiel ist die Frequenz der Brustkrebsfrüherkennungs-untersuchungen im März und April 2020 kurzfristig deutlich eingebrochen (vgl. Kapitel Vorsorge), hat sich jedoch sehr rasch wieder stabilisiert, sodass ein Rückgang über das gesamte Jahr 2020 um ca. 12 % zu verzeichnen war.

Empfehlungen zum Management von KrebspatientInnen während der COVID-Pandemie

  • Die Fortführung einer Krebsbehandlung ist wichtig.
  • Die Krebsvorsorge sollte, soweit möglich, fortgeführt werden.

Dies führte jedoch zu einem deutlichen Rückgang der Brustkrebsoperationen im Mai und Juni 2020. In der zweiten Pandemiewelle ab Oktober/November 2020 wurden Screening-Untersuchungen weiterhin durchgeführt, weshalb auch keine Veränderung der operativen Fallzahlen verglichen mit den Vorjahren festgestellt werden konnte (vgl. Kapitel Versorgung). Generell ist der Einfluss auf die Mortalität durch verzögerte Krebsdiagnose und damit potenziell kurative Behandlungen derzeit schwer abschätzbar. Europaweit wurden sehr unterschiedliche Maßnahmen getroffen. Österreich hat das Screeningprogramm vergleichsweise kurz pausiert (zwei Monate), andere Länder haben das Screeningprogramm 4–6 Monate ausgesetzt (Breast Screening Working Group [WG2] of the Covid-19 and Cancer Global Modelling Consortium, Preventive Medicine 2021). Daten zu Einschlüssen in klinische Studien und damit zum Transfer von Innovation in die klinische Routine liegen aktuell in Österreich nur bis zum Jahr 2019 vor und die Folgen können noch nicht abgeschätzt werden (vgl. Kapitel Forschung).

Armin Gerger, Wolfgang Hilbe,
Matthias Preusser, Anna Berghoff

Quellen:
Coronavirus-Infektion (COVID-19) bei Patient*innen
mit Blut- und Krebserkrankungen. Onkopedia, April 2021
Covid-19 and Cancer. Cancer Facts and Figures,
American Cancer Society 2021