Durch Fortschritte in den Bereichen Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge überleben heute mehr Menschen denn je eine Krebserkrankung. In der Regel benötigen Menschen mit Krebs eine interdisziplinäre und interprofessionelle Betreuung, die eine enorme Herausforderung darstellt. Die vielfältigen Fortschritte und Herausforderungen in der Betreuung von Menschen mit Krebs bedürfen eines umfassenden Blickes bei gleichzeitig differenzierter Darstellung. Die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO) und die Österreichischen Krebshilfe stellen im diesjährigen Österreichischen Krebsreport unter Beteilung vieler onkologischer Fachdisziplinen Fortschritte und Herausforderungen in der Versorgung von Menschen mit Krebs in den Mittelpunkt. Es soll damit eine Grundlage geschaffen werden, um zukünftige Entwicklungen abzuschätzen und damit einhergehende Aufgaben und gesundheitspolitische Initiativen zu definieren.
Im Kapitel Epidemiologie von Krebserkrankungen wird ein Überblick über die häufigsten Tumorlokalisationen gegeben und der Fokus auf die Überlebenswahrscheinlichkeit nach einer Krebsdiagnose im Zeitvergleich gelegt.
Zur Primärprävention (Vermeidung von Krankheiten bzw. Erkennen von Risikofaktoren) von Krebserkrankungen werden Empfehlungen aufgezeigt, deren Einhaltung krebsbedingte Todesfälle in Europa um fast 50% verringern können. Eine der bedeutendsten Maßnahmen zur Vermeidung einer Reihe von Krebsvorstufen und Krebserkrankungen stellt die Impfung gegen HPV (humane Papillomaviren) dar, für deren Entdeckung der Nobelpreis für Medizin verliehen wurde.
Zur Sekundärprävention (Früherkennung von symptomlosen Krankheiten) werden der aktuelle Stand sowie Empfehlungen des in absehbarer Zeit zur Umsetzung geplanten strukturierten und qualitätsgesicherten Dickdarmkrebs-Screenings in Österreich beschrieben.
Im Kapitel Versorgung werden u.a. diagnostische und therapeutische Innovationen dargestellt. Mit der flächendeckenden Einführung molekularer Methoden in der Pathologie können zielgenau therapierelevante Veränderungen festgestellt werden. Während gängige radiologische Verfahren die Tumorlokalisation und Tumorgröße beschreiben, können innovative nuklearmedizinische Verfahren einen Einblick in den Tumorstoffwechsel und damit in die Tumorbiologie liefern. Mit Roboterchirurgie wird es zunehmend möglich, komplexe onkologische Eingriffe in minimalinvasiver Technik durchzuführen. Im letzten Jahrzehnt erfolgte eine deutliche Zunahme an
Zulassungen onkologischer Therapeutika, mit über 160 Neuregistrierungen durch die Food and Drug Administration (FDA) innerhalb der letzten fünf Jahre. Mit einem Bewertungssystem der European Society for Medical Oncology (ESMO) kann der klinische Nutzen neuer Krebsmedikamente nach objektiven Kriterien eingeordnet werden und so Entscheidungsprozesse in der Praxis unterstützen. Der Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung wird seit vielen Jahren von Institutionen, Organisationen und Betroffenen gefordert. Mit dem im Bundesrat beschlossenen Hospiz- und Palliativfondsgesetz (HosPalFG) sollen der österreichweite bedarfsgerechte und flächendeckende Aus- und Aufbau sowie die Sicherung des laufenden Betriebes in der spezialisierten Hospiz- und Palliativversorgung unterstützt werden. Diese vielfältigen Initiativen und Innovationen sollen zu einer Verbesserung von Behandlungskonzepten und der Versorgung von Menschen mit Krebs beitragen.
Forschung bildet die Grundlage medizinischer Innovationen. Im Kapitel Forschung gibt der Krebsreport einen Überblick über Aufgaben, Schwerpunkte, Initiativen und Kooperationen österreichischer Comprehensive Cancer Center (CCC). Die klinische und experimentelle Krebsforschung war auch im Jahr 2021 in Österreich sehr erfolgreich und wird, basierend auf einer Web-of-Science-Analyse des publikatorischen Outputs, präsentiert.
Der diesjährige Krebsreport schließt mit einer strukturierten Abfrage aller onkologisch tätigen Fachdisziplinen zu den jeweils drei wichtigsten Innovationen, den größten Herausforderungen, um diese Innovationen zu den PatientInnen zu bringen, und den diesbezüglichen Maßnahmen und Initiativen seitens der Fachgesellschaften.
Eine Vielzahl an Kolleginnen und Kollegen sowie onkologische Fachdisziplinen haben zur Erstellung des Österreichischen Krebsreports beigetragen. Dank Statistik Austria und der Gesundheit Österreich GmbH konnten wieder überregionale bzw. bundesweite epidemiologische und Versorgungsdaten zum Krebsgeschehen in Österreich eingebracht werden.
Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Armin Gerger, MBA
Medizinischer Leiter der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie