Zertifizierung nach OnkoZert* – ein Erfahrungsbericht

2016 gab es im deutschsprachigen Raum nur eine einzige etablierte Möglichkeit, als interdisziplinäres „Krebszentrum“ zu zertifizieren: Diese Zertifizierung nach OnkoZert lief über die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG). Zum damaligen Zeitpunkt gab es in Deutschland 78 „Onkologische Zentren” nach DKG, in Österreich wären somit insgesamt 8 solche Zentren notwendig und sinnvoll.
Der Beginn unserer Vorbereitungen datiert auf das Jahr 2018, die erste erfolgreiche Zertifizierung für mehrere Organkrebszentren inklusive eines „Onkologischen Zentrums” nach DKG konnten wir im Jahr 2019 durchführen. Bis dorthin war es allerdings ein langer Weg, der umfangreiche Vorbereitungen notwendig machte.
Letztlich ist eine Zertifizierung ein Prozess der Konformitätsbewertung. Es werden Anforderungen, deren Umsetzung in einem System definiert sind, durch die Zertifizierungsstelle nachgewiesen. Die Zertifizierungsstelle nimmt dabei eine Kontrollfunktion wahr und bestätigt, dass relevante Qualitätskriterien für die Durchführung von Tumorboards, eine leitliniengerechte Behandlung, qualitätssichernde Maßnahmen, die Erreichung von geforderten Mindestfallzahlen pro Behandler:in und pro Zentrum sowie ein Benchmarking eingehalten werden. Die Qualitätsanforderungen und fachlichen Anforderungen, die zertifizierte Zentren erfüllen müssen, sind in Erhebungs- und Kennzahlenbögen zusammengefasst. Sie dienen als Grundlage für die Zertifizierung durch die Deutsche Krebsgesellschaft.
Aufgrund der mannigfachen Anforderungen und der Notwendigkeit der Umwandlung der bisherigen Arbeitsgepflogenheiten in das Raster der Deutschen Krebsgesellschaft war für uns klar, dass wir hier eine externe Beratung benötigen, die uns in diesen komplexen Arbeitsprozess einführt und anweist. Diese externe Beratungsleistung umfasste den Zeitraum eines Jahres, innerhalb dessen der Veränderungsprozess gelang.

Welche waren die größten Hürden auf diesem Weg?

Es benötigte die umfangreiche Ausarbeitung zahlreicher neuer Formulare, was einen großen bürokratischen Aufwand darstellte. Dieser Aufwand war allerdings nur einmalig notwendig. Der Dokumentationsaufwand insgesamt hat sich durch die Zertifizierung deutlich erhöht und musste auch entsprechend personell abgedeckt werden. Die Koordination eines Zentrums erfolgt überwiegend ärztlicherseits, letztlich war es aber notwendig, „Change Management“ in allen Berufsgruppen zu eta­blieren, da sich zahlreiche Widerstände bildeten, die an den bisherigen Strukturen und Gewohnheiten der onkologischen Arbeit festhalten wollten. Ein häufig vorgebrachtes Argument lautete: Warum etwas ändern, wenn das Altbewährte doch ohnehin gut funktioniert? Die daraus resultierenden Investitions-, Personal- und Lizenzkosten erforderten natürlich die ernsthafte Absicht des Krankenanstaltenträgers, dieses Projekt umzusetzen.
Trotz dieser Aufwände gibt es viele Pro-Argumente, die den Nutzen des Zertifizierungsprozesses unterstützen. Dazu zählt vor allem die Vereinheitlichung der Abläufe über alle Abteilungen hinweg, was die interdisziplinäre Zusammenarbeit deutlich verbessert. Besonders sichtbar wurde dies in einer einheitlichen elektronischen Anmeldemaske zum Tumorboard, die die Befüllung bestimmter Pflichtfelder erfordert. Sind diese Felder nicht befüllt, lehnt das System die Anmeldung ab, wodurch die Qualität der Anmeldung höher wird und im Tumorboard alle notwendigen Informationen sofort verfügbar sind. Die Beschlüsse der jeweiligen Tumorkonferenz sind nun nach Freigabe durch den Tumorboard-Leiter unmittelbar im Krankenhausinformationssystem (KIS) verfügbar und für alle Beteiligten einsehbar. Nach erfolgreicher Implementierung zahlreicher weiterer Prozesse ist ein höherer Organisations- und Strukturierungsgrad erreicht.
Parallel dazu wurde ein klinisches Register ins Leben gerufen, welches mit ausreichend Dokumentarstellen besetzt ist, die die Dokumentation aller im Zentrum behandelten Patient:innen tragen. Mithilfe dieses klinischen Registers werden Benchmarking und Studiendurchführung wesentlich erleichtert. Durch die Nominierung von ärztlichen Koordinator:innen des Zentrums haben die Mitarbeiter:innen an Verantwortung und Profil gewonnen. Die Vorgaben von OnkoZert sehen regelmäßig die Durchführung von Qualitätszirkeln und Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen vor, die in Selbstreflexion und dem Anspruch münden, sich ständig zu verbessern. Für die Krankenanstalt bedeutet die erfolgreiche Zertifizierung eine deutliche Erhöhung ihrer Reputation, aber auch ein Alleinstellungsmerkmal.

Aus meiner Sicht ist die erfolgreiche Zertifizierung ein Beweis für die Qualität eines Zentrums. Sie gibt eine schnelle und konkrete Antwort darauf, ob ein Zentrum wirklich so arbeitet, wie es in den Vorgaben steht und wie es sich die Patient:innen wünschen. Patient:innen, Zuweiser:innen und Betreiber:innen nutzen das Zertifikat als Indikator für exzellente Diagnostik und Therapie. Das Zertifikat sichert die Vorgabe der Politik an Mindestfallzahlen und damit auch die Behandlungsqualität.

Wolfgang Eisterer


* OnkoZert ist ein unabhängiges Institut, das im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft das Zertifizierungssystem zur Überprüfung von Organkrebszentren und onkologischen Zentren gemäß den entsprechenden fachlichen Anforderungen betreut. Siehe voriger Beitrag „Behandlung von Krebspatient:innen in zertifizierten Organkrebszentren” ab Seite 47