Patientenzentrierte Gesprächsführung ist in der Onkologie besonders wichtig und stellt gleichzeitig hohe Anforderungen an die Angehörigen der Gesundheitsberufe. Daher wurde im Rahmen des Nationalen Krebsrahmenprogramms1 ein „Kommunikationstraining für Gesundheitsberufe in der Onkologie“ erarbeitet, das derzeit pilotiert und evaluiert wird und ab 2023 breit ausgerollt werden kann.
Auf der Basis von Ist-Analysen, die eine mangelhafte Gesprächsqualität in der österreichischen Krankenversorgung festgestellt hatten, beschloss die Bundeszielsteuerungskommission 2016 eine Strategie zur Verbesserung der Gesprächsqualität in der Krankenversorgung.2 In Umsetzung dieser Strategie und des Zielsteuerungsvertrags (operatives Ziel 10) wurden 2019 im Auftrag der Fachgruppe Public Health und der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK) Anerkennungskriterien für Trainings und TrainerInnen erarbeitet, um evidenzbasierte Kommunikationstrainings für Angehörige der Gesundheitsberufe nach einem gesicherten Standard zu fördern (ÖPGK-tEACH-Standard).3 Durch Mittel der Sozialversicherungen, der Bundesgesundheitsagentur und der Ausbildungseinrichtungen wurde in internationaler Kooperation ein diesbezügliches bundesweites Trainernetzwerk aufgebaut und es wurden einschlägige Trainerlehrgänge und Trainings entwickelt und evaluiert. Die Evaluation der von den TrainerInnen des ÖPGK-Trainernetzwerks durchgeführten Kommunikationstrainings ergab eine sehr hohe Zufriedenheit der TeilnehmerInnen mit den Trainings sowie eine signifikante Erhöhung der selbst eingeschätzten Kompetenzen nach den Trainings. In 80% der Trainings war eine Weiterführung des Trainingsangebots geplant. Die Akzeptanz der Trainingsangebote bei der Zielgruppe ist daher als hoch einzuschätzen.4, 5
Studien zu Kommunikationstrainings in der Onkologie zeigen, dass patientenzentriertes und unterstützendes Verhalten die Qualität der Gesprächsführung von Angehörigen der Gesundheitsberufe nachhaltig erhöht (z.B. Stellen offener Fragen, Empathie, individuelles Eingehen auf die Gefühle des Patienten bzw. der Patientin und Anbieten von Unterstützung),6–14 deren Selbstsicherheit im Umgang mit schwierigen Situationen stärkt6, 9–11, 13 und möglicherweise auch zu einem besseren Outcome für PatientInnen führen kann, also z.B. zu einem verbesserten Gesundheitszustand, einer besseren psychischen Bewältigung durch Verminderung von Angst und Depression sowie einer höheren Patientenzufriedenheit.9, 11, 15 Vor diesem Hintergrund wurde aufbauend auf den Vorarbeiten ein Training entwickelt, das spezifisch auf die von onkologisch tätigen ÄrztInnen, Pflegekräften und anderen Angehörigen von Gesundheitsberufen erlebten Herausforderungen in der klinischen Gesprächsführung zugeschnitten ist.
Kommunikationstraining für Gesundheitsberufe in der Onkologie (nach ÖPGK-tEACH-Standard)
Das entwickelte Curriculum steht ab 2023 zur Ausrollung in ganz Österreich zur Verfügung. In den lernerzentrierten Trainings werden in Kleingruppen mithilfe von SimulationspatientInnen konkrete hilfreiche Fertigkeiten nachhaltig und praxistauglich anhand authentischer Szenarien trainiert.
Nach einer Problemanalyse und spezifischen Bedarfserhebung unter Hämato-OnkologInnen für die Entwicklung der Gesprächsqualität wurde ein Theorie und Praxis beinhaltendes Training entwickelt, das internationalen Standards zur Gestaltung effektiver Kommunikationstrainings für Gesundheitsfachkräfte entspricht. Schließlich wurde das Curriculum einer Begutachtung (Peer-Review) durch FachärztInnen für Innere Medizin mit Schwerpunktausbildung „Hämatologie und medizinische Onkologie“ unterzogen, die gleichzeitig zu zertifizierten KommunikationstrainerInnen nach ÖPGK-tEACH-Standard ausgebildet wurden.
Die Entwicklung des Curriculums „Kommunikationstraining für Gesundheitsberufe in der Onkologie“ erfolgte gemäß den Schritten der Curriculumsentwicklung nach Thomas & Kern.16 Dieses wird 2022 in drei Einrichtungen pilotiert (Onkologische Rehabilitation, Klinische Abteilung für Onkologie und Klinische Abteilung für Palliativmedizin). Drei weitere Pilotierungen (in Abteilungen für Hämatologie und Onkologie bzw. Palliative Care) erfolgen am Ordensklinikum Linz im Rahmen eines Trainerlehrgangs für ärztliche KommunikationstrainerInnen. Alle Pilottrainings werden im Hinblick auf Teilnehmerzufriedenheit und Selbstwirksamkeit der TeilnehmerInnen evaluiert. Zielgruppe der Trainings waren ÄrztInnen sowie spezialisierte Pflegepersonen aus Abteilungen für Onkologie bzw. für Palliative Care. Basierend auf geringen Rückmeldungen (speziell bei OnkologInnen) trotz breiter Aussendung und persönlicher Gespräche kann von einem fehlenden Problembewusstsein als Hürde ausgegangen werden. Dies lässt auch den Schluss zu, dass in die Kurse eher motivierte KollegInnen kommen, was einen Wahrnehmungs- und Beurteilungsbias mit sich bringt. Die multiprofessionelle Ausrichtung des Trainings wurde sowohl von den TrainerInnen als auch den TeilnehmerInnen (beider Berufsgruppen) als sehr positiv wahrgenommen, führte zu einer gesteigerten gegenseitigen Wertschätzung, erlaubte die Beobachtung berufsspezifischer Kommunikationsaufgaben und -möglichkeiten und trug zur Förderung der Teamkommunikation bei. Traditionellerweise bauen Kommunikationstrainings in der Onkologie auf dem Thema des „Überbringens schlechter Nachrichten (breaking bad news)“ auf. Darüber hinaus lag der Fokus vor allem auf dem Umgang mit Emotionen und dem Motivieren von PatientInnen. Ein wiederkehrendes Thema war auch, effizient mit der zur Verfügung stehenden Zeit im Klinikbetrieb umzugehen – sprich, ein Gespräch auch unter limitierten Zeitressourcen „gut“ zu führen, die Ziele zu erreichen und auch zu erleben, dass mit Gesprächen nicht alles gelöst werden kann oder muss. Als Fazit zeigt sich nach den ersten Erfahrungen, dass das Bewusstsein für die Thematik ausbaufähig ist und von offizieller Seite unterstützt werden sollte. Das Engagement der TeilnehmerInnen in den Kursen war jedoch sehr hoch und durchwegs positiv. In den Reflexionen zeigte sich, dass diese das im Kurs Geübte in der Praxis unmittelbar angewendet und positive Erfahrungen gemacht haben.
Die begonnenen Arbeiten werden im Rahmen des Themenschwerpunkts „Gesundheitskompetenz in der Onkologie“ des Krebsrahmenprogramms 2023 fortgesetzt. Nach einer Überarbeitung des Curriculums auf Basis der Pilotierungserfahrungen und Evaluationsergebnisse sollen weitere TrainerInnen aus dem ÖPGK-Trainernetzwerk auf das Curriculum eingeschult und die Trainings weiter ausgerollt werden. Über strategische Öffentlichkeitsarbeit (Infomaterialien, Website, Dissemination) soll die breite Implementierung unterstützt werden.
Weitere Informationen:
https://oepgk.at/gute- gespraechsqualitaet-im-gesundheitssystem/
Marlene Sator, Holger Rumpold, Birgit Hladschik-Kermer, David Fuchs, Ansgar Weltermann
1 BMSGPK: Nationales Krebsrahmenprogramm. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK); www.sozialministerium.at (accessed 22.04.2021) 2 BMGF: Verbesserung der Gesprächsqualität in der Krankenversorgung. Strategie zur Etablierung einer patientenzentrierten Kommunikationskultur. Wien, Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2016 3 ÖPGK-Trainernetzwerk und tEACH: Kommunikationstrainings für Gesundheitsberufe: Anerkennungskriterien für Trainings und Trainerinnen/Trainer nach ÖPGK-tEACH-Standard. ZSG Projektarbeiten 2019, Beilage zu Projekt 4.2.1. Wien, Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK), 2019 4 Ammentorp J, Bigi S, Silverman J et al., Upscaling communication skills training – lessons learned from international initiatives. Patient Education and Counseling 2021; 104:352–59 5 Sator M, Holler P, Rosenbaum M. National train-the-trainer certificate programme for improving healthcare communication in Austria. Patient Education and Counseling 2021; 104(12):2857–66 6 Moore PM, Rivera S, Bravo-Soto GA, Olivares C, Lawrie TA. Communication skills training for healthcare professionals working with people who have cancer. DOI: 10.1002/14651858.CD003751.pub4 2018 7 Fallowfield L, Jenkins V, Farewell V, Saul J, Duffy A, Eves R. Efficacy of a cancer research UK communication skills training model for oncologists: a randomised controlled trial. The Lancet 2002; 359(9307):650–56 8 Fallowfield L, Jenkins V, Farewell V, Solis-Trapala I. Enduring impact of communication skills training: results of a 12-month follow-up. British Journal of Cancer 2003; 89:1445–49 9 Bos-van den Hoek DW, Visser LN, Brown RF, Smets EM, Henselmans I. Communication skills training for healthcare professionals in oncology over the past decade: a systematic review of reviews. Current Opinion in Supportive and Palliative Care 2019; 13(1):33–45 10 Kaye EC, Cannone D, Snaman JM, Baker JN, Spraker-Perlman H. The state of the science for communication training in pediatric oncology: a systematic review. Pediatric Blood & Cancer 2020; 67(10):e28607 11 Back AL, Fromme EK, Meier DE. Training clinicians with communication skills needed to match medical treatments to patient values. Journal of the American Geriatrics Society 2019; 67(S2):441 12 Feraco AM, Brand SR, Mack JW, Kesselheim JC, Block SD, Wolfe J. Communication skills training in pediatric oncology: moving beyond role modeling. Pediatric Blood & Cancer 2016; 63(6):966–72 13 Kissane DW, Bylund CL, Banerjee SC et al., Communication skills training for oncology professionals. Journal of Clinical Oncology 2012; 30(11):1242 14 Barth J, Lannen P. Efficacy of communication skills training courses in oncology: a systematic review and meta-analysis. Annals of Oncology 2011; 22(5):1030–40 15 Lelorain S, Brédart A, Dolbeault S, Sultan S. A systematic review of the associations between empathy measures and patient outcomes in cancer care. Psycho-Oncology 2012; 21:1255–64 16 Thomas PA, Kern DE, Hughes MT, Chen BY. Curriculum development for medical education: a six-step approach. JHU Press, 2016