In Österreich werden seit mehr als zehn Jahren robotisch assistierte Eingriffe angeboten. Mithilfe derartiger Robotersysteme, die als vom Chirurgen gesteuerte Telemanipulatoren zu verstehen sind, ist es möglich, zunehmend komplexe onkologische Eingriffe in minimalinvasiver Technik durchzuführen. Durch eine exaktere und tremorfreie Instrumentensteuerung, einen 3-D-Blick auf das Operationsfeld, ruhigere Kameraführung und größere Beweglichkeit der robotischen minimalinvasiven Instrumente können der intraoperative Blutverlust und die Traumatisierung des Gewebes weiter reduziert werden. Dies führt im Allgemeinen zu einer rascheren Rekonvaleszenz der PatientInnen und dadurch zu einem verkürzten postoperativen Krankenhausaufenthalt. Aktuell (Stand: 18.10.2022) sind in Österreich an 19 Standorten insgesamt 22 robotische Operationssysteme installiert und werden gleichsam von ChirurgInnen, GynäkologInnen, HNO-ÄrztInnen und UrologInnen zur Behandlung verschiedenster Krebserkrankungen angewendet. Zusammen mit einer zielgerichteten Onkologie sollen so die bestmöglichen Resultate für die PatientInnen erreicht werden.
Wie viele Eingriffe können mit einem Roboter in der Onkologie durchgeführt werden?
Prinzipiell können alle Eingriffe, die auch bisher schon minimalinvasiv durchgeführt wurden, Roboter-assistiert angeboten werden. Dazu gehören Eingriffe an Lunge, Speiseröhre, Magen, Dickdarm, Mastdarm, Prostata, Niere und Gebärmutter. Vereinzelt werden auch schon Eingriffe an Leber und Bauchspeicheldrüse Roboter-assistiert in Österreich durchgeführt. Es hängt stark von der Fachdisziplin ab, wie viele Eingriffe prozentuell bereits mit Roboterchirurgie durchgeführt werden. Beispielsweise erreichen solche Eingriffe bei Prostatektomien einen Anteil von 80% in den westlichen Industrienationen. Wir hoffen, mit der Verbreitung der robotischen Systeme dazu beitragen zu können, dass künftig mehr onkologische Eingriffe minimalinvasiv (also mit kleinen Zugängen anstelle von einem großen Schnitt) angeboten werden können. Beispielsweise werden derzeit in Österreich nur etwa 25% der onkologischen rechtsseitigen Darmresektionen minimalinvasiv durchgeführt und davon wiederum nur ein kleiner Bruchteil Roboter-assistiert. Die robotischen Plattformen erleichtern allerdings das minimalinvasive Vorgehen und könnten zu einem häufigeren Einsatz dieses schonenderen Verfahrens beitragen.
Wo steht Österreich im Vergleich zu anderen Ländern?
In Österreich sind derzeit an 19 Standorten insgesamt 22 robotische Operationssysteme installiert. Im DACH-Ländervergleich bedeutet das einen minimalen Rückstand, der aber stetig aufgeholt wird.
Haben alle PatientInnen, die von einem solchen Eingriff profitieren, auch Zugang dazu?
Es gibt derzeit noch zu wenige Systeme, um flächendeckend allen PatientInnen einen Roboter-assistierten Eingriff anbieten zu können. Man muss aber betonen, dass die Qualität der Chirurgie/Gynäkologie/HNO/Urologie bei erfahrenen laparoskopischen OperateurInnen gleichwertig ist und PatientInnen somit keinen Nachteil haben. Lediglich die offenen Verfahren haben – bei vergleichbarem onkologischem Ergebnis – durch das größere Zugangstrauma schlechtere Ergebnisse etwa im Hinblick auf die systemische Komplikationsrate, die Liegedauer, die Wiederaufnahme in ein Krankenhaus, die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess oder die Rate an Narbenbrüchen.
Sind die Ressourcen in Österreich gleichmäßig verteilt?
Mittlerweile sind die robotischen Plattformen über den gesamten Raum Österreichs und die einzelnen Bundesländer weitgehend gleichmäßig verteilt. Ausgehend von „Pionierabteilungen“ mit früher Implementierung besteht heute eine hohe Expertise in allen Bundesländern, die Roboter-assistierte OP-Techniken vorhalten.
In weiterer Folge wird eine zusammenfassende Übersicht über die zurzeit häufigsten Indikationsstellungen für die Roboterchirurgie der verschiedenen chirurgisch aktiven Fachdisziplinen präsentiert.
Karzinome des Dick- und Mastdarms zählen mit einem Anteil von 10–11% unabhängig vom Geschlecht zu den dritthäufigsten Tumorentitäten. Im Rahmen von Operationen zur Behandlung von Darm- und Mastdarmkrebserkrankungen hat sich gezeigt, dass minimalinvasive Operationsverfahren im Vergleich zur offenen Operationstechnik gleich gute onkologische Ergebnisse erzielen. Vor allem aber bei hochkomplexen onkologischen Eingriffen sowie bei schwierigem Operationssitus (z.B. bei adipösen PatientInnen) haben robotisch assistierte Verfahren gegenüber der konventionellen Laparoskopie Vorteile. Insbesondere die Rate an Komplikationen und Konversionen (Umstieg von einem minimalinvasiven auf ein offenes Verfahren) ist deutlich reduziert. Kürzere Krankenhausaufenthalte sind ebenso zu beobachten wie eine geringere Reoperations- und Wiederaufnahmerate ins Krankenhaus. Derzeit liegt die Rate an minimalinvasiver Darmchirurgie (inkludiert laparoskopische und robotisch assistierte Verfahren) je nach Indikationsstellung zwischen 25% (bei der onkologischen rechtsseitigen Hemikolektomie) und 51% (Rektum-chirurgische Eingriffe) (Quelle: LKF-Abrechnungszahlen 2020). Mithilfe derartiger Operationssysteme wird es in Zukunft möglich sein, mehr PatientInnen ein minimalinvasives Verfahren zur onkologisch radikalen Behandlung von Darm-/Mastdarmkrebs anzubieten.
Die Bedeutung der minimalinvasiven Operationstechniken in der gynäko-onkologischen Chirurgie zentriert sich auf das Endometriumkarzinom. Im Vergleich zur Laparotomie sind die Komplikationsraten, der Blutverlust und die stationäre Aufenthaltsdauer bei minimalinvasiven Operationstechniken signifikant geringer, bei gleicher onkologischer Sicherheit. Deshalb wird ein Großteil der Endometriumkarzinome heute minimalinvasiv operiert. Die Roboter-assistierte Laparoskopie wird dabei der konventionellen Laparoskopie gleichgestellt. Sie scheint mit zunehmendem Body-Mass-Index (BMI) an Bedeutung zu gewinnen. Durch die 2018 publizierten Daten der LACC-Studie (Laparoscopic Approach to Cervical Cancer) haben minimalinvasive Methoden in der operativen Therapie des Zervixkarzinoms an Bedeutung verloren. Diese Studie konnte einen eindeutigen Vorteil der „offenen“ radikalen Hysterektomie im Vergleich zu minimalinvasiven Techniken bei der operativen Therapie des Zervixkarzinoms zeigen. Die Ergebnisse betrafen sowohl das progressionsfreie Überleben als auch das Gesamtüberleben. Die Studie wurde durch weitere Untersuchungen bestätigt und daher werden Zervixkarzinome heute in den allermeisten Fällen wieder mit einem offenen Zugangsweg operiert. Da eine Exploration des Abdomens mit Beurteilung des gesamten viszeralen und parietalen Peritoneums mittels Laparoskopie selbst beim frühen Ovarialkarzinom nur eingeschränkt möglich ist, wird die operative Therapie des Ovarialkarzinoms mittels Längslaparotomie durchgeführt.
Neben der Laserchirurgie bilden Operationsroboter seit über zehn Jahren bei der minimalinvasiven Kopf-Hals-Chirurgie eine weitere wichtige Säule. Im Vergleich zu offenen Zugängen erzielen diese Operationsmethoden das gleiche onkologische Ergebnis, sind aber wesentlich atraumatischer und mit kürzerer Operationszeit verbunden. Dies führt zu einer schnelleren Rekonvaleszenz und einer geringeren Komplikationsrate. Während bei der Larynxchirurgie der Laser nach wie vor die besten Operationsmöglichkeiten bietet, schafft die transorale Roboterchirurgie (TORS – TransOral Robotic Surgery) im Pharynx meist optimale Bedingungen. Durch eine bessere Übersicht, mehr Bewegungsfreiheit und eine Tumorresektion in gesunden Grenzen ergeben sich vor allem im Bereich der Zungengrundchirurgie etliche Vorteile. Die Zunahme HPV-positiver zervikaler Lymphknotenmetastasen verlangt auch ein zielstrebiges Aufspüren eines zumeist pharyngealen Primärtumors zur Erstellung eines klaren Behandlungskonzepts. Weder PET-CT-Untersuchungen noch pharyngeale „Punch-Biopsien“ konnten zu befriedigenden Detektionsraten führen. TORS ermöglicht durch eine übersichtliche Zungengrundmukosektomie, verbunden mit einer beidseitigen Tonsillektomie, eine Primärtumordetektion in über 50% der Fälle, die als „Cancer of Unkown Primary (CUP)“ eingestuft waren. Kleinere, wendigere Geräte werden das Indikationsspektrum bei der transoralen Chirurgie in Zukunft erweitern.
In der uroonkologischen Chirurgie gibt es mehrere gut etablierte Indikationen für Roboter-assistierte Operationsverfahren. An erster Stelle ist die radikale Roboter-assistierte Prostatektomie zu nennen. Das Prostatakarzinom ist das häufigste in Europa und Nordamerika beim Mann diagnostizierte Karzinom. Die Inzidenz ist vergleichbar mit dem Mammakarzinom bei der Frau. Die meisten Tumoren werden heute in einem lokalisierten Stadium entdeckt und sind potenziell durch eine Prostatektomie oder Strahlentherapie heilbar. Die radikale Prostatektomie wird heutzutage in den meisten Ländern Roboter-assistiert durchgeführt. Dieses Verfahren ist onkologisch anderen Verfahren gleichwertig, scheint jedoch bessere funktionelle Resultate zu zeigen und ist erwiesenermaßen eine schonendere Technik, was den postoperativen Schmerzmittelverbrauch, den intraoperativen Blutverlust oder beispielsweise auch die Krankenhausverweildauer betrifft. In den meisten entwickelten Gesundheitssystemen werden heute etwa 80% aller Prostatektomien Roboter-assistiert durchgeführt.
Eine zweite Hauptindikation in der uroonkologischen Chirurgie ist die Nierentumorchirurgie. Auch hier hat sich die Roboter-assistierte Technik durchgesetzt und es gilt ebenso wie bei der radikalen Prostatektomie die Annahme, dass onkologisch die Operationstechnik Roboter-assistiert mit offenen oder laparoskopischen Verfahren als gleichwertig anzusehen ist, komplexere Fälle jedoch nierenteilreseziert und die Eingriffe insgesamt schonender durchgeführt werden können. Auch hier ist die Roboter-assistierte OP-Technik der absolute Standard, insbesondere in der nierenerhaltenden Tumorchirurgie. Eine weitere wesentliche Indikation betrifft die radikale Zystektomie. Hier ist die Häufigkeit der durchgeführten Eingriffe aufgrund der geringeren Inzidenz an muskelinvasiven Urothelkarzinomen geringer. Der onkologische Outcome ist (wie bei den anderen genannten Indikationen) anderen Verfahren gleichwertig. Die Indikationsstellung der Roboter-assistierten versus laparoskopischen versus offenen Technik ist in erster Linie abhängig von der Erfahrung des Operateurs bzw. der Operateurin. Durch den Umstieg auf Roboter-assistierte Zystektomietechniken ist es aber mittlerweile möglich, auch die intrakorporale Harnableitung vollständig minimalinvasiv anzubieten.
Bernhard Dauser, Klaus Reisenberger, Andreas Strobl, Anton Ponholzer