In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends war Österreich hinsichtlich Tabakkontrolle nicht nur Schlusslicht im gesamten europäischen Raum. Auch der Zigarettenkonsum war überdurchschnittlich hoch und das Einstiegsalter bei Jugendlichen besonders niedrig. Grund genug für führende Fachärzte, 2014 die Initiative DON’T SMOKE ins Leben zu rufen. Ursprünglich als Aware–ness-Aktion konzipiert, wurde die Initiative sehr bald zur politischen Plattform, die mit breiter öffentlicher Unterstützung im November 2019 das Rauchverbot in der Gastronomie erwirkte.
Unter dem Schirm und durch Startfinanzierung der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO) unter der Präsidentschaft von Hellmut Samonigg gründeten 2014 drei führende Fachärzte die Experten:innen-Initiative DON’T SMOKE*, um ein stärkeres Bewusstsein für die verheerenden Konsequenzen des Tabakkonsums zu schaffen. Die Initiative wurde von medizinischen Fachgesellschaften, der Ärzte- und Apothekerkammer sowie der Österreichischen Krebshilfe von Anfang an mitgetragen. Prominentes Testimonial war der Journalist Kurt Kuch, der seine Lungenkrebserkrankung öffentlich machte, sein Leiden in den sozialen Medien zeigte, Raucher:innen zum Rauchausstieg ermutigte und für einen besseren Nichtraucherschutz eintrat. Er verschaffte der damals noch immer unpopulären Forderung zum Rauchausstieg und Nichtraucherschutz von Anfang an bei Medienvertreter:innen verstärktes Gehör.
„Rauchen tötet. Es war die schlechteste Entscheidung meines Lebens, mit dem Rauchen zu beginnen. Heute kann ich nur versuchen mitzuhelfen, dass Österreich zumindest europäisches Niveau erreicht, wenn es darum geht, die fatalen Folgen des Rauchens gering zu halten“, so Kuch bei der Gründung der Initiative. Er selbst verlor im Jänner 2015 seinen Kampf gegen den Krebs.
Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres
Damaliger Präsident der Österreichischen und der Wiener Ärztekammer sowie Oberarzt am Klinischen Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik der Medizinischen Universität Wien
„Es ist eine Schande, dass es eines solchen Kraftakts überhaupt bedarf. Schon derzeit gehört Österreich zu den Schlusslichtern Europas. Wir müssen der Vernunft in Österreich zum Durchbruch verhelfen. Das sind wir unseren Patient:innen einfach schuldig.“
Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda
Präsident der Österreichischen Krebshilfe und damaliger Vorstand der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe im Krankenhaus Hietzing
„Die Belastung durch Tabakrauch beschneidet die fundamentalen Rechte und Freiheiten des Menschen auf eine gesunde Umgebung (reine Luft und sauberes Wasser). Es ist höchst an der Zeit, dass die neue Regierung erkennt, dass die Gesundheit der Bevölkerung nicht verhandelbar ist.“
Univ.-Prof. Dr. Hellmut Samonigg
Damaliger Rektor der Medizinischen
Universität Graz und Past President der OeGHO
„In Österreich ist der Zigarettenkonsum überdurchschnittlich hoch und das Einstiegsalter bei Jugendlichen besonders niedrig. Als Mediziner kann man dem nicht länger zusehen.“
Die Anhebung des Schutzalters für Jugendliche auf 18 Jahre, die auch aufgrund der DON’T SMOKE-Aktivitäten auf der Landesjugendreferent:innen-Konferenz Ende März 2017 beschlossen wurde, trat Mitte 2018 in Kraft. Der größte Erfolg der Initiative war der Anstoß der Novellierung des Tabakgesetzes: Das 2015 beschlossene generelle Rauchverbot in der Gastronomie sollte endlich mit Mai 2018 in Kraft treten.
Dies blieb allerdings nur ein kurzer Erfolg: Als Anfang Dezember 2017 die Verhandler:innen der neuen ÖVP/FPÖ-Regierung ankündigten, das bereits beschlossene Gesetz kippen zu wollen, startete die Krebshilfe am 11. Dezember 2017 die Online-Petition „DON’T SMOKE“ zur Beibehaltung des Rauchverbots in der Gastronomie auf www.openpetition.de. Noch über Nacht wurden dazu 100.000 Online-Unterstützungen abgegeben.
Anfang Februar 2018 hatten bereits 468.222 Personen die Petition unterstützt. Am 13. Februar 2018 wurde den Nationalratsabgeordneten Pamela Rendi-Wagner (SPÖ), Peter Kolba (Liste Jetzt) und Matthias Strolz (NEOS) die Petition zur Einbringung in den Nationalrat übergeben. Trotz Expert:innen-Hearing sowie eindeutigen Fakten und Zahlen stimmten die Nationalratsabgeordneten von ÖVP und FPÖ jedoch gegen das Rauchverbot.
Auch die Ärztekammer für Wien wollte dem Kippen des so wichtigen Gesetzes nicht tatenlos zusehen. Sie startete daher Vorbereitungen für ein Volksbegehren zum Nichtraucherschutz und lud Krebshilfe und OeGHO ein, partnerschaftlich das Volksbegehren durchzuführen. Die Finanzierung sämtlicher Aktivitäten wurde von der Ärztekammer übernommen. Am 15. Februar 2018 reichten Ärztekammer und Krebshilfe mit dem DON’T SMOKE-Initiator Hellmut Samonigg das nachstehende Volksbegehren ein: „DON’T SMOKE – Wir fordern aus Gründen eines optimalen Gesundheitsschutzes für alle Österreicherinnen und Österreicher eine bundesverfassungsgesetzliche Regelung für die Beibehaltung der 2015 beschlossenen Novelle zum Nichtraucherschutzgesetz (Tabakgesetz).“
Für die formale Einleitung des Volksbegehrens waren 8.401 Unterstützungserklärungen notwendig. Diese Zahl wurde schon während der Start-Pressekonferenz überschritten. Auch die für eine gesetzlich verpflichtende Debatte im Nationalrat notwendige 100.000er-Marke wurde innerhalb nur weniger Tage erreicht – und das trotz mehrfacher IT-Probleme im Innenministerium, die damit die Online-Unterstützungserklärungen massiv erschwerten. Am 4. April 2018 stellten Krebshilfe und Ärztekammer mit 591.146 Unterschriften offiziell den Einleitungsantrag zum DON’T SMOKE-Volksbegehren.
Eintragungszeitraum für das Volksbegehren war vom 1.–8. Oktober 2018. Die Regierung legte eine Latte für das Endergebnis: Im Falle von 900.000 Unterstützer:innen wurde zugesagt, bindend und zeitnah eine Volksabstimmung durchzuführen. Diese Vorgabe wurde nur knapp nicht erreicht. Mit insgesamt 881.569 Unterschriften wurde DON’T SMOKE jedoch das sechsterfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte Österreichs.
Nichtraucherschutz und Rauchverbot in der Gastronomie wurden daraufhin im Frühjahr 2019 in mehreren Gesundheitsausschüssen behandelt. Trotz namhafter Expert:innen brachten die Anhörungen in den Ausschüssen nichts. Das Rauchverbot in der Gastronomie wurde nicht wieder eingeführt.
Die innenpolitische „Ibiza-Affäre“ im Mai 2019 führte zur entscheidenden Wende: Nach dem Ende der ÖVP/FPÖ-Regierung ergab sich für die Initiator:innen erneut die Gelegenheit, auf politischer Ebene für die Wiederherstellung des Rauchverbots in der Gastronomie verstärkt aktiv zu werden.
Am 12. Juni brachten SPÖ, NEOS und JETZT einen entsprechenden gemeinsamen Antrag ein, der nun auch von der ÖVP mitgetragen wurde: Am 2. Juli beschloss der Nationalrat die Einführung des absoluten Rauchverbots in der Gastronomie mit 1. November 2019.
Die lange Geschichte zum absoluten Rauchverbot in der Gastronomie in Österreich hat damit – 60 Jahre nach ersten wissenschaftlichen Publikationen über den Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs – ihr Ende gefunden.
Martina Löwe
* Die Initiatoren übergaben im Mai 2017 die Marke DON’T SMOKE der Österreichischen Krebshilfe.