Rund 40% aller Krebspatient:innen erkranken zwischen dem 15. und 65. Lebensjahr, also in einem Alter, in dem Erwerbsarbeit einen wesentlichen Aspekt eines inklusiven Lebens darstellt – bedeutet doch der Beruf für viele Betroffene finanzielle Sicherheit und die Aufrechterhaltung des Gefühls persönlicher Identität und Normalität sowie das Sicherstellen sozialer Beziehungen.
In der arbeitsmedizinischen Praxis sehen wir, dass die Reintegration ins Berufsleben für diese Patient:innen oft von besonders großer Bedeutung ist. Auch die Motivation, die Arbeit während der Behandlung weiterzuführen oder wiederaufzunehmen oder rasch nach Beendigung der Therapie wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren, ist hoch.
Deutlich mehr als die Hälfte der Krebspatient:innen ist zwölf Monate nach Diagnosestellung wieder zurück an ihrem Arbeitsplatz. Viele von ihnen erkennen aber, dass sie aufgrund einer eingeschränkten körperlichen, kognitiven und/oder psychischen Funktionsfähigkeit den Leistungsanforderungen im Beruf nicht mehr gerecht werden können. So berichten bis zu 32% der Patient:innen über krebs- und behandlungsbedingte Einschränkungen und eine verringerte Lebensqualität.1 Für einige Betroffene bleibt damit nur mehr der Weg in eine krankheitsbedingte Frühpension (Berufsunfähigkeitspension bzw. Invaliditätspension). Im Jahr 2022 waren insgesamt 5.969 Personen aufgrund einer Krebsdiagnose in Frühpension, 1.772 bezogen Rehabilitationsgeld (Jahresbericht 2022 der Pensionsversicherungsanstalt).
Die Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort, die ja seit der Coronapandemie eine enorme Reichweite erfahren hat – Stichwort „Homeoffice“ –, ist für viele Betroffene eine große Erleichterung. So können Erholungspausen in den Berufsalltag integriert werden. Einschränkend muss aber erwähnt werden, dass es weniger als die Hälfte der in Österreich Beschäftigten sind, die teilweise oder regelmäßig Homeoffice in Anspruch nehmen können. Besonders in Branchen mit hohem Frauenanteil, wie etwa Handel oder Pflege, aber auch in Branchen wie der Bauwirtschaft ist dies nicht möglich.
Erwerbstätige onkologisch erkrankte Personen können beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Feststellung als begünstigte Behinderte stellen. Alle Unternehmen, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Personen beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmerinnen bzw. Dienstnehmer einen begünstigten Behinderten einzustellen (Behinderteneinstellungsgesetz § 1 Abs. 1). In Österreich hatten mit Dezember 2022 insgesamt 121.617 Personen den Status „begünstigter Behinderter“, davon waren 64.177 Personen in Beschäftigung.
Bei einer onkologischen Erkrankung wird üblicherweise ein Grad der Behinderung von mindestens 50% gewährt, meist auf fünf Jahre begrenzt. Neben zahlreichen Unterstützungsangeboten ist hier besonders der erhöhte Kündigungsschutz zu erwähnen. 2022 gab es lediglich 238 Anträge auf Zustimmung bzw. nachträgliche Zustimmung zu einer Kündigung (Sozialministeriumservice, Geschäftsbericht 2022) betreffend Personen mit diesem Behindertenstatus.
Eine zentrale Maßnahme, um den beruflichen Wiedereinstieg nach schwerer Erkrankung zu ermöglichen, ist auch die „Wiedereingliederung nach langem Krankenstand“ (WIETZ – Wiedereingliederungsteilzeit), die 2017 in Kraft getreten ist. Krebserkrankungen sind nach psychiatrischen Erkrankungen und Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparats mit 11,86% der dritthäufigste Grund für die Inanspruchnahme der WIETZ. Knapp 4.000 Personen haben bisher von dieser Maßnahme nach einer Krebserkrankung profitiert. Erfreulicherweise nimmt die Akzeptanz zu: 2018 waren es 472 Personen, 2023 bereits 680 Personen, die nach einer Krebserkrankung stufenweise in den Arbeitsprozess zurückgekehrt sind.2 Bei der Anzahl der hier beschriebenen Fälle wird allerdings sichtbar, dass es noch deutlich Spielraum nach oben gibt. Dies liegt vermutlich daran, dass sowohl Unternehmen als auch behandelnde Ärzt:innen mit der Maßnahme und deren Abwicklung oft nicht vertraut sind. Da es keinen Rechtsanspruch auf Wiedereingliederungsteilzeit gibt und sowohl Arbeitgeber:in als auch Arbeitnehmer:in zustimmen müssen, sieht man, dass die Wiedereingliederungsteilzeit ganz überwiegend in großen Unternehmen umgesetzt wird, die entsprechende Ressourcen und Prozesse dafür haben. Hier auch kleinere und mittelständische Unternehmen ins Boot zu holen, wäre eine ganz wesentliche Maßnahme, um sicherzustellen, dass Menschen nach einer Krebserkrankung in angemessenem Umfang und ohne Überforderung den Beitrag leisten, den sie leisten können – und auch wollen.
Eva Höltl
1 Mehnert-Theuerkauf, Anja: Rückkehr zur Arbeit bei Patienten mit einer Krebserkrankung; Forum 2011, 26:23-26
2 ÖGK – Martin Schrempf: TFL-STV-TF Leistungsrecht und Information im FB Leistung, 04.04.2024