Hospiz- und Palliativversorgung

Nach Übereinkünften der Vereinten Nationen, der European Association for Palliative Care, der International Association for Palliative Care, der World­wide Palliative Care Alliance und Human Rights Watch ist der Zugang zu Palliativversorgung als ein Menschenrecht zu betrachten.1 Die Hospiz- und Palliativversorgung spielt eine entscheidende Rolle in der Grundversorgung der österreichischen Bevölkerung. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Menschen mit schweren oder unheilbaren Krankheiten in herausfordernden Situationen zu unterstützen und ihnen ein würdevolles Leben und Sterben sowie eine professionelle Begleitung zu ermöglichen. Um eine flächendeckende Versorgung in hochwertigen Hospiz- und Palliativeinrichtungen sicherzustellen, hat der Bundesrat bereits mehrere parlamentarische Initiativen ergriffen. In der Realität zeigen sich jedoch immer noch Lücken in der österreichischen Hospiz- und Palliativversorgung.

Parlamentarische Enquete „Würde am Ende des Lebens“ und Positionspapier

Im Jahr 2015 erarbeitete die Kommission der parlamentarischen Enquete zur „Würde am Ende des Lebens“ unter Beteiligung des Bundesrats ein Positionspapier mit insgesamt 51 Empfehlungen. Knapp 700 Bürger:innen gaben im Rahmen der Enquete Stellungnahmen ab, mehr als 100 Expert:innen stellten ihr Wissen und ihre Erfahrung zur Verfügung. Die Hospiz- und Palliativversorgung wurde auch im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz des Bundesrats intensiv diskutiert. Es wurde mehrfach festgehalten, die Finanzierung und den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung voranzutreiben.

Regierungsprogramm 2020–2024: Festschreibung Hospiz- und Palliativbereich

Im Regierungsprogramm 2020–2024 „Aus Verantwortung für Österreich“ wurden im Hinblick auf den Hospiz- und Palliativbereich folgende Vorhaben festgeschrieben und an mehreren Stellen festgehalten, etwa in der Rubrik Pflege: „Eine besondere Form der Pflege stellt die Palliativ- und Hospizpflege dar. Diese versucht, Menschen mit unheilbaren Krankheiten ein Lebensende in Würde zu ermöglichen. Diese Form der Pflege hat in Österreich oftmals durch das Engagement von vielen Freiwilligen funktioniert. Gerade in dieser schwierigen Zeit braucht es aber eine unkomplizierte und vor allem sichere Stütze für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen. In dieser Legislaturperiode wird die Finanzierung der Palliativpflege und des Hospizes auf sichere Beine gestellt.“ (vgl. Regierungsprogramm 2020–2024).

Hospiz- und Palliativfondsgesetz (HosPalFG) – Status quo

Im März 2022 wurde vom Nationalrat und Bundesrat das Hospiz- und Palliativfondsgesetz (HosPalFG) verabschiedet, um den flächendeckenden Aus- und Aufbau einer spezialisierten und qualitativ hochwertigen Hospiz- und Palliativversorgung sicherzustellen. Der Hospiz- und Palliativfonds trat rückwirkend zum 1. Jänner 2022 in Kraft. Gemäß diesem Gesetz werden zweckgebundene Zuschüsse an die Länder verteilt. Der Fonds wurde mit € 108 Mio. ausgestattet, wovon für das Jahr 2022 € 21 Mio., für 2023 € 36 Mio. und für 2024 € 51 Mio. an Bundesmitteln vorgesehen waren. Diese Zuschüsse wurden als Drittelfinanzierung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungsträgern geplant. Ab 2025 soll der Betrag jährlich entsprechend einem festgelegten Schlüssel erhöht werden. Die Gelder sind speziell für nicht bereits durch die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung (LKF) finanzierte Bereiche (Palliativstationen), sondern für den Einsatz in mobilen Palliativteams, Palliativkonsiliardiensten, Hospizteams, Tageshospizen sowie stationären Hospizen für Kinder und Erwachsene vorgesehen. Mit Gewährung der Zweckzuschüsse aus dem Hospiz- und Palliativfonds werden die Länder bei der Umsetzung eines österreichweiten, bedarfsgerechten und nach einheitlichen Kriterien organisierten Hospiz- und Palliativversorgungsangebots unterstützt, damit insbesondere für Palliativpatient:innen und deren An- und Zugehörige ihren besonderen Bedürfnissen angepasste Unterstützungsangebote erreichbar, zugänglich und leistbar angeboten werden können und die Grundversorgung ergänzt werden kann.

Die Auszahlungen aus den Bundesmitteln sind an bestimmte Voraussetzungen gebunden, wie beispielsweise einheitliche Tarife oder Qualitätsmanagement, sowie an Zielvorgaben für den Aufbau und die Erweiterung entsprechender Angebote. Mit Einbezug von Expert:innen werden die vorliegenden Qualitätskriterien überarbeitet und erhalten Rechtsstatus. Somit sind alle Bundesländer aufgefordert, die verschiedenen Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung umzusetzen. Der Unterschied zwischen den einzelnen Bundesländern ist bei manchen Leistungsangeboten groß. Um einen sogenannten „Tod auf der Warteliste für eine Palliativversorgung“ zu vermeiden, scheint die zukünftig in Österreich verpflichtende jährliche Dokumentation von „nicht zustande gekommenen Betreuungen“ vielversprechend, um den Bedarf bundeslandweit in Zahlen abzubilden. Erstmals wurden auch Strukturqualitätskriterien für den Bereich der spezialisierten pädiatrischen Palliative Care erarbeitet. Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) wurde gemäß dem Hospiz- und Palliativfondsgesetz (Hos­PalFG) mit verschiedenen Aufgaben betraut. Dazu gehören u.a.:

  • Entwicklung von Qualitätsstandards
  • Erstellung und Führung einer bundesweit einheitlichen Planungsunterlage 
  • Erstellung und Verwaltung einer Datenbank als umfassende Datenbasis für die Planung und Evaluation der Versorgung


Die Qualitätskriterien (Zugangskriterien für die Inanspruchnahme, Personalausstattung und -qualifikation, Infrastruktur, Leistungsangebot und Größenordnung) für Erwachsene und Kinder sollen zukünftig veröffentlicht werden.

Sterbeverfügungsgesetz (StVfG)

Mit 1.1.2022 trat das Sterbeverfügungsgesetz (StVfG) in Kraft, das die Beihilfe zum Suizid regelt. Der Zugang ist auf Personen beschränkt, die an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leiden, deren Folgen die betreffende Person in ihrer gesamten Lebensführung beeinträchtigen, wobei die Krankheit einen für die Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringt. Ausdrücklich ausgeschlossen sind Minderjährige. Um eine Sterbeverfügung bei Notar:innen, Anwält:innen oder der Patientenanwaltschaft zu errichten, ist die Aufklärung durch zwei Ärzt:innen erforderlich. Eine:r von ihnen muss über eine Qualifikation in Palliative Care verfügen. Die Entscheidungsfähigkeit der sterbewilligen Person muss ärztlich bestätigt werden. Bei Verdacht auf eine psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert muss eine Fachärztin bzw. ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin oder ein:e klinische:r Psycholog:in beigezogen werden. Vor der Errichtung der Verfügung ist eine Frist von zwölf Wochen einzuhalten. Ziel ist die Überwindung von akuten und behandelbaren Krisenphasen. Sollten sich Personen allerdings in einer terminalen Erkrankungsphase befinden, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen. Eine aufrechte Sterbeverfügung berechtigt sterbewillige Personen, ein letales Präparat in einer Apotheke abzuholen. Etwa 18 Monate nach Inkrafttreten des Sterbeverfügungsgesetzes (StVfG) besteht in der Praxis noch immer große Unsicherheit, wie Anfragen um assistierten Suizid begegnet werden soll. Die verbreitete Unsicherheit spiegelt sich auch auf ASCIRS (www.ascirs.at), der Berichts- und Lernplattform der Österreichischen Palliativgesellschaft für Ereignisse im Zusammenhang mit einem assistierten Suizid, wider. Viele der Fachpersonen berichten von Überforderung, fehlenden Handlungsanweisungen durch die Arbeitgeber:innen und entsprechender Unsicherheit.

Statistik

In Österreich sind im Jahr 2022 57 Personen durch assistierten Suizid verstorben: 

  40–59 Jahre 16 
  60–74 Jahre 19 
  75+ Jahre     22 
  Gesamt        57

  Frauen         34
  Männer        23 
  Gesamt       57

Quelle: Statistik Austria, Todesursachenstatistik 

Hier findet sich eine Diskrepanz zu den Daten aus www.ascirs.at. Bisher langten auf ASCIRS 103 Anfragen (Stand Dezember 2023) um assistierten Suizid ein, es wurde von drei abgebrochenen assistierten Suiziden und 52 durchgeführten assistierten Suiziden berichtet. ASCIRS soll einen niederschwelligen Dokumentationszugang zum assistierten Suizid bieten. Berichte können von Angehörigen, ehrenamtlichen Beteiligten sowie Personen aus Medizinberufen eingegeben werden.

Palliativversorgung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene

Ein wesentlicher Aspekt liegt in den zunehmend chronischen Verläufen palliativer pädiatrischer Erkrankungen, die sich von den während der frühen Entwicklung der pädiatrischen Palliative Care vermehrten akuten Betreuungen am Lebensende unterscheiden. Im pädiatrischen Bereich funktioniert die Palliativversorgung der onkologischen Patient:innen über die zuständige Onkologie gemeinsam mit einem – fallweise externen – onkologischen Pflegeteam und einem mobilen Palliativteam/Pflegeteam (teilweise klinikgestützt). Diese Angebote sind zum Teil spendenfinanziert und sollen ebenso durch das HosPalFG deutlich erweitert werden. 

 

Abb.: Geschätzte Anzahl jener Menschen, die eine Palliativversorgung benötigen werden, geordnet nach Alter von 2014 bis 2040 (basierend auf Daten aus England und Wales)

Zukunftsthemen

Der Bedarf an Hospiz- und Palliativversorgung wird in den kommenden 25 Jahren erheblich ansteigen. Der zunehmende Anteil an chronischen Krankheiten, die voraussichtlich eine palliative Betreuung erfordern werden, sowie das längere Überleben mit Krebserkrankungen bedeuten, dass der Bedarf überproportional zu den erwarteten demografischen Veränderungen wachsen wird. Der Anteil der Patient:innen mit onkologischer Erkrankung liegt laut www.hospiz.at derzeit zwischen 69,9% auf Palliativstationen/-einheiten und 86,3% in stationären Hospizen. Die Abbildung bezieht sich auf die geschätzte Anzahl jener Menschen, die eine Palliativversorgung benötigen werden, geordnet nach Alter von 2014 bis 2040. Die Daten stützen sich auf Mortalitätsstatistiken aus England und Wales, sind jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach auf Österreich extrapolierbar.2 Umso wesentlicher scheinen Präventionsmaßnahmen sowie rehabilitative Angebote. Der Bereich Hospiz- und Palliative Care soll – auch laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – zukünftig prioritär das Thema Rehabilitation in die Angebote miteinbeziehen (lat.: re-habilitare = wieder-befähigen), um die Zeit der Selbstständigkeit und Selbstbefähigung der Patient:innen und deren An- und Zugehörigen maximal zu verlängern und die Zeit der Pflegebedürftigkeit/Abhängigkeit von anderen maximal zu reduzieren.3 Wie in allen Bereichen unserer Gesellschaft nimmt auch in der Gesundheitsversorgung die Digitalisierung zu, was bei zielgerichtetem Einsatz einen maßgeblichen Fortschritt für die Patient:innen und deren An- und Zugehörige bedeuten kann. So können beispielsweise Televisiten, Apps oder gemeinsame Webplattformen zum Austausch mit den Betreuenden genutzt werden. Automatisierte Schnittstellen zu anderen Gesundheitsdienstleistern können künftig Prozesse erleichtern und Hürden reduzieren.

Eva Katharina Masel 

 

1 Rosa WE, Ferrell BR, Mason DJ. Integration of palliative care into all serious illness care as a human right. JAMA Health Forum, 1. April 2021; 2(4):e211099
2 Etkind SN, Bone AE, Gomes B et al., How many people will need palliative care in 2040? Past trends, future projections and implications for services. BMC Med, 18. Mai 2017; 15(1):102
3 WHO Regional Office for Europe: Policy brief on integrating rehabilitation into palliative care services. Copenhagen 2023; Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO